sehr viel zu tun mit
der Art, wie die Amerikaner dort Krieg führten. [. . . ] So ganz allmählich wurden wir
wahnsinnig.«5
5 Francis Ford Coppola 1979, zit. n. Bernd Kiefer: »Apocalypse Now.« In: Koebner 1995a,
S. 494–495; zur Entstehung des Films vgl. auch Eleanor Coppola: Notes on the Making
of Apocalypse Now. New York 1995.
|
So äußerte sich Coppola auf der Pressekonferenz in Cannes, wo er 1979 statt des lange
erwarteten Films lediglich eine work in progress-Version zeigte und doch die Goldene
Palme gewann. Selten, so Kiefer, trifft die Aussage eines Regisseurs über sein eigenes
Werk so den Punkt wie diese Sätze. Der Film als Krieg und als Medienereignis:
»Das ist Apocalypse Now: gigantomanisch, manieriert, selbstverliebt [. . . ] und
zugleich brutal, realistisch, satirisch, zynisch, dann wieder mythisch, opernhaft,
pathetisch.«6
Apocalypse Now handelt vom Krieg in Vietnam als einer Erfahrung der Selbstzerstörung.
Darin ist der Film politisch kritisierbar. Dies bestätigt auch Bergan, wenn er
schreibt, daß der Film nur schwer einer politischen Klassifizierung entgehen
könne, sei er doch der erste Film, der das US-amerikanische Engagement in
Vietnam direkt und scharf kritisiert. Sicherlich gibt es auf beiden Seiten inhumane
Haltungen, die sich als Konsequenz aus einem unbegriffenen Konflikt ergeben, aber
Coppola gebraucht einen groben Pinsel, um Amerikaner entweder als Mörder oder
als Verschwörer zu zeichnen. Eine Position zwischen diesen Extremen gibt es
nicht.7
7 Ronald Bergan: Francis Ford Coppola. Reinbek 1998, S. 164–165.
|
Damit treibt Coppola seine Analyse des zum Alptraum gewordenen American Dream
bis an die Grenze des Titels auf die Spitze – bis zur Idee, die Niederlage der
Amerikaner in Vietnam trage apokalyptische Züge, nicht allein für die USA,
sondern für die gesamte westliche Kultur. Insofern formuliert Coppola dem Genre
des Vietnamfilms Rechnung tragend eine Version über den Krieg, aber auch
– und dies vielleicht in erster Linie – über den Zustand der amerikanischen
Gesellschaft.8
Die Frage der filmischen Widerspiegelung einer Gesellschaft erläuterte Siegfried
Kracauer bereits 1947:
»Die Filme einer Nation reflektieren ihre Mentalität unvermittelter als
andere künstlerische Medien, und das aus zwei Gründen: Erstens sind Filme
niemals das Produkt eines Individuums. [...] Da jeder Filmproduktionsstab
eine Mischung heterogener Interessen und Neigungen verkörpert, tendiert die
Teamarbeit auf diesem Gebiet dazu, willkürliche Handhabung des Filmmaterials
auszuschließen und individuelle Eigenheiten zugunsten jener zu unterdrücken,
die vielen Leuten gemeinsam sind. Zweitens richten sich die Filme an die
anonyme Menge und sprechen sie an. Von populären Filmen [...] ist daher
anzunehmen, daß sie herrschende Massenbedürfnisse befriedigen. [...] Was
die Filme reflektieren, sind weniger explizite Überzeugungen als psychologische
Dispositionen – jene Tiefschichten der Kollektivmenge, die sich mehr oder
weniger unterhalb der Bewußtseinsdimension erstrecken.«9
9 Siegfried Kracauer: Von Caligari zu Hitler. Eine psychologische Geschichte des deutschen
Films. Princeton 1947, 3. Aufl. Frankfurt am Main 1995, S. 11–12.
|
Bei der Frage nach der ideologischen respektive ästhetischen Kritik des Vietnamfilms
bezieht sich Reinecke erneut auf Kracauer. Die programmatische Erkenntnis, daß
»die Filme der Spiegel der bestehenden Gesellschaft« sind, schickte dieser 1927
seiner berühmten Artikelserie »Die kleinen Ladenmädchen gehen ins Kino«
|