Der dritte Einsatz Schuberts begleitet erneut
ein »Duett« zwischen Paulina und Gerardo in der dramaturgischen Phase der
Spannungssteigerung. An dieser Stelle der Handlung erfahren wir zum ersten Mal
Paulinas Geschichte und das Ausmaß ihrer seelischen wie körperlichen Verletzungen. Als
die beiden auf die Veranda treten, wird die Musik heruntergefahren, sie ist
lediglich schwach im Hintergrund hörbar, jedoch laut genug, um die musikalischen
Akzente während der Unterhaltung zwischen Paulina und Gerardo deutlich
hervortreten zu lassen. Dadurch erhält das Gespräch der beiden wiederum jenen
Charakter eines dicht gedrängten Schlagabtausches, in dem Paulinas Emotionen
herausbrechen wie in Schuberts Musik. Dementsprechend erfüllt die Exposition des
Quartetts eine ähnliche Funktion wie in Szene 24: sie paraphrasiert Rede und
Gegenrede: während Gerardo hilflos an Paulinas Vernunft appelliert, besteht
diese hartnäckig auf ihrer Anklage. So unterstützt die Musik die Spannung
des langen Gespräches. Mit dem Übergang zur Durchführung beginnt Paulina
mit ihrer Geschichte. In dieser Szene wird der Zusammenhang zwischen dem
Quartett und der Todesauffassung im Claudius-Lied am deutlichsten. Die Rollen
werden wieder vertauscht: Paulina erscheint in ihrer Geschichte nun als das
Mädchen, das sich wie in einem dramatischen Rezitativ atemlos stockend ihr
Trauma von der Seele redet. Nach ihrer Folter sieht sie sich dem Tod – Miranda –
gegenüber. Gemäß dem Lied kommt er nicht, »um zu strafen« – er lindert wie
durch »Zauberei« ihren Schmerz, er beruhigt sie und versorgt ihre Wunden.
Er wiegt sie in Sicherheit und »spielt« Der Tod und das Mädchen. Dies ist
geradezu wörtlich zu nehmen, denn Paulinas Schilderungen entsprechen dem
Inhalt des Claudius-Liedes. Miranda erscheint hier zunächst als Freund, der
Paulina durch Musik zu trösten versucht und sich um sie sorgt. Doch wie bereits
in Szene 24 handelt es sich auch hier um einen Trugschluß, denn Polanskis
Pervertierung des Komponisten folgt sofort, denn die Musik dient nicht etwa der
Beruhigung Paulinas als vielmehr der Inspiration Mirandas, um sie zu vergewaltigen.
Scheinbar edle Motive verkehrt Polanski sogleich ins absolute Trauma. Dem
Zeithaben des Todes entspricht hier Mirandas Absicht, Paulina zu quälen, »damit
sie wußte, was er vorhatte«, wie er später im Geständnis bekundet. Diesen
Moment bitterer und ernüchternder Erkenntnis kostet Polanski auch musikalisch
sehr wirkungsvoll aus. Während Paulina in Großaufnahme mit starrem Blick
akribisch von dem Moment ihrer Vergewaltigung berichtet, steigert sich die
Durchführung in jener groß angelegten Steigerung (Takte 176 bis 197). Die Dramatik
dieser motivisch dich-ten Entwicklung wird nicht zuletzt durch den punktierten
Dominant-Orgelpunkt im Baß und den gehetzten Staccati-Triolen der ersten und zweiten
Violine bewirkt, als solche fungiert die Musik in jeder Hinsicht dramaturgisch wie
psychologisch affirmativ. Auf dem Höhepunkt der musikalischen Steigerung setzt die
Reprise des Satzes wiederum in Form jenes hartnäckigen »Schicksalsmotives« mit
erschütternder Endgültigkeit ein, an diesem Punkt ist auch Paulina an ihrem seelischen
Tiefpunkt angelangt, d.h. Musik und dramaturgisches Geschehen verhalten sich
absolut kompatibel zueinander und durchdringen sich gegenseitig. Paulinas
Monolog ist beherrscht von der ernüchternden Erkenntnis »roher Gewalt« und
»totaler Macht«, eine Semantik, die auch von der musikalischen Ebene getragen
wird.
Mit dem Einsatz des zweiten Thema in der Reprise verläßt Paulina die Rolle des Opfers und wird wieder zur erbitterten Rächerin ihrer Vergangenheit. Daß die |