den
in Panik geratenden Miranda im Arm hält und sich ihm mit zynisch sanften
Worten vorstellt. Der Vergleich ist insofern zulässig, da diese erste Bekanntschaft
zwischen den beiden mit einem erneuten Einsatz des Streichquartetts in Szene 24
einhergeht. Musik, Kameraeinstellungen und Dialog verhalten sich anfangs recht
symmetrisch zueinander. Mit dem zweiten Einsatz des »Schicksalsmotives«
verweilt die Kamera für einige Sekunden auf Miranda. Damit relativiert Polanski
gleich seine Perspektiven. Vergeblich sucht man nach einer aussagekräftigen
Regung in Mirandas Gesichtsausdruck. Die Andeutung des »leidenden Mädchens«
im Prolog wird nun erstmals konkretisiert. Der nächste Schnitt auf Paulina
offenbart ein Wechselbad der Gefühle, die – in Gegenwart des »Todes«, den
Miranda für sie verkörpert – von äußerster Angespanntheit bis zu mühsam
unterdrückter Hilflosigkeit reichen. So wie die ersten 14 Takte des Quartetts als
»Vorspiel« für den vergleichbaren Einsatz der »Stimme« dienen, so erfüllen sie auch
hier die Funktion eines dramaturgischen Vorspiels, denn mit dem Beginn der
unruhevollen Melodie erfolgt der nächste Schnitt: Gerardo wird durch die Musik aus
seinem Alkoholrausch gerissen, er tritt ins Wohnzimmer, und damit beginnt jenes
psychologisch brisante Tribunal zwischen den drei Charakteren, in dem die
Dialoge gleich einem Rezitativ einem so angespannt motorischen Rhythmus
folgen wie Schuberts Melodie. Die Chromatik dieser melodischen Linie und das
accompagnato in Gestalt der Triolen beziehen sich, so wurde oben festgestellt, direkt auf
die Mädchenstrophe des Claudius-Liedes. Bezeichnenderweise begleitet dieses
Paulinas Monolog. Damit gibt Polanski einen ersten konkreten Hinweis auf
eine ursprüngliche Rollenverteilung zwischen Paulina und Miranda, die auf
Schuberts Lied zurückgeht. Paulina, anfangs noch so kraftvoll und unerbittlich
wie die Musik, offenbart nun ihre verletzliche und resignierte Seite. Während
sich im Hintergrund das Unisono – an sich ein musikalisches Todessymbol –
dem Hörer wieder hartnäckig ins Gedächtnis ruft, erzählt Paulina erstmals
von der Bedeutung dieses Quartetts: »Wenn es im Radio kommt, stelle ich
es aus. [. . . ] Es macht mich körperlich krank, es zu hören.« Die musikalische
Überleitung zum zweiten Thema bedeutet auch für Paulina eine Vorbereitung,
die einer erneuten Drohgebärde nahekommt: »Es wird Zeit, meinen Schubert
zurückzufordern, meinen Lieblingskomponisten! Wenn man bedenkt, daß ich
meine ganze Sammlung weggeschmissen habe. . . « Ihr Schubert wurde ihr in der
Vergangenheit also genommen aus Gründen, die wir als Zuschauer an dieser
Stelle noch nicht einzuordnen vermögen. Die Anlage der gesamten Szene läßt
jedoch die geballte Dramatik vermuten, die sich hinter Äußerungen dieser Art
verbergen.
Auffällig ist, wie sehr sich der Rhythmus der Dialoge der musikalischen Anlage des Satzes anpaßt. Zwar kann man rhythmische und expressive Analogien zwischen Sprache und Musik in einer Szene ad absurdum treiben – man sollte sich davor hüten, in Analogien dieser Art semantisch gesehen zuviel hineinzuinterpretieren, doch ist die Parallelität von Spannung und Entspannung in Text und Musik hier unüberhörbar. So warnt Paulina ihren verdutzten Mann mit harter Stimme davor, Miranda anzurühren, während sich die Musik im Hintergrund kurzweilig in ein spannungsreiches Forte steigert, um sofort wieder ins Piano zurückzusinken. Die Überleitung endet auf zwei verminderten Septakkorden (Takte 59 und 60), sie weckt die Erwartung des Hörers für den weiteren Verlauf. Auch im Dialog zwischen Paulina und Gerardo entsteht eine Erwartungshaltung. Während die Musik |