Charakterisierung im
Gegensatz zum späten 19. Jahrhundert ästhetisch gesehen nicht konkret auf ein narratives
außermusikalisches Phänomen gerichtet, sondern eher auf dessen unmittelbaren
Auswirkungen auf das menschliche Gefühl. In diesem Zusammenhang folgert
Hinrichsen45
45 Dittrich 1997, S. 493.
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,
daß die »womöglich dem d-Moll-Quartett zugrundeliegende ›poetische Idee‹ eine
überaus düstere und kompromißlos pessimistische ist«, in der die versöhnliche Botschaft
des Liedthemas als zwar tröstliche, aber letztlich wirkungslose Episode dementiert wird.
An seine Stelle tritt – besonders im ersten Satz – der Schrecken des Todes und die Angst
des Menschen, die nicht zu unterdrücken ist: »Kaum gibt es Unheimlicheres
als das immer wiederkehrende Unisono in diesem [ersten] Satz«, so schreibt
Feil.46
46 Walther Dürr/Arnold Feil: Franz Schubert. Stuttgart 1991, S. 252.
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Die Tatsache, daß sich das gleichnamige Lied nicht nur im Variationensatz, sondern in
allen Sätzen des Quartetts widerspiegelt, demonstriert, daß es nicht nur die Basis für
eine zyklische Substanzgemeinschaft bildet, sondern ebenso einen thematisch-expressiven
Zusammenhalt garantiert. Insofern bleibt festzuhalten, daß Schuberts musikalische
Topoi und imaginäre Anspielungen sich durch zyklische Geschlossenheit im
gesamten Quartett auszeichnen und daher eine wichtige Rolle spielen. Es handelt
sich hier um eine Kompositionsweise, in der sich Handwerk und Konstruktion
einerseits, Expressivität und inhaltliche Bedeutung andererseits – der im Brief
dargestellte »Schmerz« – in kontrollierter Balance befinden. So gesehen könnte das
d-Moll-Quartett als abenteuerliches Experiment für Form und Ausdruck einer Sinfonie
gelten.
13.3.2. Die dramaturgische Umsetzung
Insgesamt viermal zitiert Roman Polanski den ersten Satz aus Schuberts Streichquartett
Der Tod und das Mädchen, und dies jedes Mal von Beginn an. Immer wieder holt das
»Schicksalsmotiv« die Charaktere wie auch den Zuschauer bedrückend ein. Insofern
erfüllt es zunächst eine klar definierte syntaktische Funktion (Motte-Haber), die sich aus
der Montage ableitet, indem es im Prolog der Exposition, zweimal während der
Spannungssteigerung und im abschließenden Epilog erklingt.
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