des
Jahres 1824 befindet sich Schubert aufgrund seiner schlechten Gesundheit in
niedergedrückter Stimmung. So war diese letzte Lebensperiode gekennzeichnet durch
mehrere Krankheitsschübe, in denen er zunehmend von Depressionen heimgesucht
wurde. In dem vielzitierten Brief an seinen Freund Leopold Kupelwieser von März 1824
schreibt er:
»Mit einem Wort, ich fühle mich als den unglücklichsten, elendsten Menschen
auf der Welt. Denk Dir einen Menschen, dessen Gesundheit nie mehr richtig
werden will, u. der aus Verzweiflung darüber die Sache immer schlechter
statt besser macht, denke Dir einen Menschen, sage ich, dessen glänzendste
Hoffnungen zu Nichte geworden sind, dem das Glück der Liebe u. Freundschaft
nichts bieten als höchstens Schmerz, dem Begeisterung [...] für das Schöne
zu schwinden droht, und frage Dich, ob das nicht ein elender, unglücklicher
Mensch ist? – »Meine Ruh ist hin, mein Herz ist schwer, ich finde sie nimmer
und nimmer mehr«, so kann ich wohl alle Tage singen, denn jede Nacht wenn
ich schlafen geh, hoff ich nicht mehr zu erwachen, u. jeder Morgen kündet
mir nun den gestrigen Gram.«30
30 Schubert 31. März 1824, zit. n. Franz Schubert: Die Dokumente seines Lebens. Gesammelt
und erläutert von Otto Erich Deutsch (= Franz Schubert. Neue Ausgabe sämtlicher
Werke, Serie VIII: Supplement, Bd. 5). Leipzig 1964, S. 234.
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Aus einer solchen Stimmung heraus scheint die Wahl des Liedes Der Tod und
das Mädchen als thematisch-expressive Vorlage für das Quartett verständlich.
Auch die »tragische« Tonart d-Moll und die Tatsache, daß alle Sätze in
Moll stehen, könnten Deutungen dieser Art unterstützen. Doch obwohl
Schubert in diesem Jahr, in dem er »nicht mehr zu erwachen hofft«, meist
in niedergeschlagener Stimmung war, setzte eine intensive Arbeitsphase
ein.31
Im selben Brief an Kupelwieser schreibt Schubert:
»In Liedern habe ich wenig Neues gemacht, dagegen versuchte ich mich
in mehreren Instrumental-Sachen, denn ich componierte 2 Quartetten für
Violinen, Viola u. Violoncelle, u. ein Octett, u. will noch ein Quartetto
schreiben, überhaupt will ich mir auf diese Art den Weg zur großen Sinfonie
bahnen. – Das Neueste in Wien ist, daß Beethoven ein Concert gibt, in
welchem er seine neue Sinfonie, 3 Stücke aus der neuen Messe, u. eine neue
Ouverture produciren läßt. – Wenn Gott will, so bin auch ich gesonnen,
künftiges Jahr ein ähnliches Conzert zu geben.«32
32 Schubert 31. März 1824, zit. n. Deutsch 1964, S. 235.
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Mit seinem Plan, ein Konzert geben zu wollen, ist Schuberts Blick demnach vorwärts
gerichtet. Wenn er also im Jahre 1824 seine alten Lieder wieder aufgreift, so schließt
Raab, »ist dies nicht mehr das morbid-frivole Kokettieren mit der Todessehnsucht wie in
jungen Jahren, sondern die Beschäftigung mit den letzten Dingen hat nun,
nach seiner (halb überstandenen) Krankheit, einen weit ernsteren, geistigen
Hintergrund.«33
Zwar präsentieren seine Briefe und Tagebucheintragungen ihn als einen ernsten,
leidgeprüften Menschen, doch geht es Schubert um mehr als psychische Befindlichkeiten.
Jene Aussagen demonstrieren, daß er sich verstandesmäßig der Form der Sinfonie nähern
möchte - und dies bedeutet Lernen anhand von Streichquartetten, die von Klassikern
wie Haydn zum absoluten Prüfstein für jede Komposition erhoben wurden.
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