bringt sie mehr Spannung, denn sie löst sich früher oder später
wieder leittönig in den Moll-Grundakkord auf und bezeichnet so oft eine enttäuschte
Hoffnung.22
22 Dittrich 1997, S. 202.
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Seltsamerweise steht der zweite Satz, der die meiste Ähnlichkeit mit dem
Lied hat, in g-Moll. Aus dem Lied übernimmt Schubert das Vorspiel sowie
die versöhnliche Antwort des Todes. Neben dem zweiten Satz weisen alle
übrigen Sätze zahlreiche andere Gemeinsamkeiten auf. Diese aufzuführen,
würde hier jedoch zu weit führen. Da Polanski in seinem Film lediglich den
ersten Satz zitiert, sollen sich alle weiteren analytischen Ausführungen darauf
beschränken.23
23 Ausführliche Analysen vgl. wieder Wolff 1982, S. 159–169; Raab 1997, S. 168–176;
Hans-Joachim Hinrichsen: »›Bergendes Gehäuse‹ und ›Hang ins Unbegrenzte‹. Die
Kammermusik.« In: Dürr/Krause 1997, S. 490–493.
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Das Streichquartett Der Tod und das Mädchen hat immer wieder die Frage
herausgefordert, inwiefern in der Themenwahl des Liedes für den zweiten Satz eine
programmatische Absicht hinsichtlich der Todesthematik im gesamten Streichquartett zu
sehen ist. Ein Liedzitat, so Dittrich, ist semantisch gesehen alles andere als
neutral, die Wandererfantasie Schuberts (D 760) ist ein weiterer berühmter
Fall.24
24 Hinrichsen 1997, S. 490.
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Viele Autoren beschränken sich darauf, Vergleiche zwischen dem Lied und dem Quartett auf
rein musikanalytischer Ebene zu betreiben. Sie stützen sich auf das Aufspüren musikalischer
Topoi.25
25 Vgl. Peter Gülke: Franz Schubert und seine Zeit. Regensburg 1991, S. 208–209.
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Andere hingegen versuchen, die Musik ausschließlich durch biographisch-semantische Details zu
erklären.26
26 Vgl. Hans Hollander: »Stil und poetische Idee in Schuberts d-moll-Streichquartett.«
Neue Zeitschrift für Musik 131 (1970) 239–241.
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Gegen diese sehr subjektive Hermeneutik werden jedoch immer wieder Einwände
erhoben. Viele Hypothesen haben zudem vorgeschlagen, daß nicht nur der
zweite Variationensatz, sondern das Quartett im ganzen die Todesthematik
behandelt. Die poetischen Ideen reichen dabei vom Todestanz bis hin zur Dies
irae.27
Einstein hat bereits darauf hingewiesen, daß Schubert hier keine Programmusik
schreibt. Man müsse auch nicht das Lied kennen, und dennoch fühle der Hörer in
allen Sätzen unmißverständlich Anzeichen von Unvermeidlichkeit und Trost
gleichermaßen.28
28 Alfred Einstein: Schubert. A Musical Portrait. New York 1951, S. 254.
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Doch gehört dieser Ansatz ebenso zur eher vagen Sphäre der Hörerpsychologie.
Tatsächlich muß man sich fragen, ob die Todesthematik neben der Biographie oder dem
reinen Höreindruck auch in der Musik ersichtlich wird und wie Schuberts eigene
Aussagen über seine Stimmung mit seiner Musik kompatibel sind. Dieser Frage folgt
Raab, indem er möglichst viele Quellen untersucht: das Streichquartett d-Moll, die
Variationen des zweiten Satzes, die auf das Lied zurückgreifen sowie Briefe und
Tagebucheintragungen Schuberts aus dieser Zeit. Er kommt – auch in Anlehnung an die
Ergebnisse von Wolff – zu dem Schluß, daß Schubert bei der Komposition des
d-Moll-Quartetts ein quartetto charatterstico vor Augen hatte, eine Art experimenteller
Vorläufer zu einer Sinfonie, in dem er nicht nur die Dimensionen eines sinfonischen
Formats ausprobierte, sondern auch neue Konzepte der zyklischen Form und ihrer
Expressivität entwickelte. Vorlage war dabei die Konfrontation mit dem unabänderlichen
Tod.29
Diese Thematik erklärt Raab zunächst mit Hilfe biographischer Details. Zu Beginn
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