Die dramaturgische Syntax ist mit einer musikalischen Form vergleichbar, in dem sich
Soli, Duette und Tutti gegenseitig abwechseln. Dabei verhalten sich die einzelnen
Teile sowohl in der Gesamtstruktur des Kammerstücks als auch während der
einzelnen Akte nahezu vollständig symmetrisch zueinander. Dementsprechend
vermeidet es Polanski, das Geschehen allzusehr aus Paulinas Perspektive zu
schildern. Im Verlauf der Dramaturgie verlagert er daher immer wieder den
charakterlichen Schwerpunkt und damit auch die Glaubwürdigkeit der Figuren. Auf
diese Weise schafft er jene Relativität der »einzig gültigen«, weil fragwürdigen
Wahrheit.
Die Exposition (Szenen 1 bis 8)8
beginnt mit einem als selbständige Szene angelegtem Prolog (Tutti). Paulina
und Gerardo sitzen im Konzertsaal, auf der Bühne spielt ein Streichquartett
den ersten Satz aus Schuberts Der Tod und das Mädchen. Der Prolog dient
zunächst der ersten szenischen Entsprechung des Filmtitels, gleichzeitig als
Vorausdeutung auf den Schluß. In dramaturgischer Hinsicht entspricht diese Szene dem
sogenannten »prologus ante rem«: Gestik und Mimik Paulinas geben während
des unheilverkündenden Auftaktes des Quartetts einen ersten Hinweis auf den
weiteren Verlauf der filmischen Handlung, in der das Streichquartett eine wichtige
Rolle spielen wird. Die Exposition wird auch in diesem Film ihrer »klassischen«
Rolle gerecht. Polanski stellt die drei Charaktere vor – ein verheiratetes Paar
und einen Arzt – sowie den wichtigsten Handlungsort – das isolierte Haus der
Escobars am Meer. Eine Konstellation, die an Polanski Film Cul-De-Sac (Wenn
Katelbach kommt..., 1965) erinnert, in dem ein geflohener Verbrecher in die
Einsamkeit eines nordenglischen Inselschlosses eindringt, das von einem biederen
Ehepaar bewohnt wird. Der Suspense in Der Tod und das Mädchen wird gleich zu
Beginn durch die düster bedrückende Atmosphäre des Sturmes geschürt, die
sich besonders in den Lichtverhältnissen widerspiegelt. Draußen herrschen die
Blau- und Grautöne der einbrechenden Dunkelheit, im Haus schafft Polanski
durch den Kerzenschein und das spärliche Licht der Taschenlampe ein geradezu
klaustrophobisches Ambiente, in dem er stets gerade genug Beleuchtung für
die agierenden Charaktere bereithält. Die Verhältnisse und Zustände, denen
der dramatische Konflikt entspringt, werden ebenso offengelegt. Die stoische,
zugleich verstörte Ruhe,
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