- 403 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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Die dramaturgische Syntax ist mit einer musikalischen Form vergleichbar, in dem sich Soli, Duette und Tutti gegenseitig abwechseln. Dabei verhalten sich die einzelnen Teile sowohl in der Gesamtstruktur des Kammerstücks als auch während der einzelnen Akte nahezu vollständig symmetrisch zueinander. Dementsprechend vermeidet es Polanski, das Geschehen allzusehr aus Paulinas Perspektive zu schildern. Im Verlauf der Dramaturgie verlagert er daher immer wieder den charakterlichen Schwerpunkt und damit auch die Glaubwürdigkeit der Figuren. Auf diese Weise schafft er jene Relativität der »einzig gültigen«, weil fragwürdigen Wahrheit.

Die Exposition (Szenen 1 bis 8)8

8 Vgl. Anhang C.5
beginnt mit einem als selbständige Szene angelegtem Prolog (Tutti). Paulina und Gerardo sitzen im Konzertsaal, auf der Bühne spielt ein Streichquartett den ersten Satz aus Schuberts Der Tod und das Mädchen. Der Prolog dient zunächst der ersten szenischen Entsprechung des Filmtitels, gleichzeitig als Vorausdeutung auf den Schluß. In dramaturgischer Hinsicht entspricht diese Szene dem sogenannten »prologus ante rem«: Gestik und Mimik Paulinas geben während des unheilverkündenden Auftaktes des Quartetts einen ersten Hinweis auf den weiteren Verlauf der filmischen Handlung, in der das Streichquartett eine wichtige Rolle spielen wird. Die Exposition wird auch in diesem Film ihrer »klassischen« Rolle gerecht. Polanski stellt die drei Charaktere vor – ein verheiratetes Paar und einen Arzt – sowie den wichtigsten Handlungsort – das isolierte Haus der Escobars am Meer. Eine Konstellation, die an Polanski Film Cul-De-Sac (Wenn Katelbach kommt..., 1965) erinnert, in dem ein geflohener Verbrecher in die Einsamkeit eines nordenglischen Inselschlosses eindringt, das von einem biederen Ehepaar bewohnt wird. Der Suspense in Der Tod und das Mädchen wird gleich zu Beginn durch die düster bedrückende Atmosphäre des Sturmes geschürt, die sich besonders in den Lichtverhältnissen widerspiegelt. Draußen herrschen die Blau- und Grautöne der einbrechenden Dunkelheit, im Haus schafft Polanski durch den Kerzenschein und das spärliche Licht der Taschenlampe ein geradezu klaustrophobisches Ambiente, in dem er stets gerade genug Beleuchtung für die agierenden Charaktere bereithält. Die Verhältnisse und Zustände, denen der dramatische Konflikt entspringt, werden ebenso offengelegt. Die stoische, zugleich verstörte Ruhe,

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