- 400 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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Dramaturgie bis in die Charaktere. Paulina ist von Mirandas Schuld überzeugt, dieser hingegen leugnet alles fest entschlossen und beteuert zunächst seine Unschuld. Gerardo als Verkörperung des »Gesetzes« bildet das eher unentschlossene Medium zwischen beiden. Auch wenn sich der Suspense des Films eher aus der Unsicherheit des Zuschauers aufbaut, fiebert dieser gemäß dem Thriller trotzdem mit den Figuren. Das »Kino der Angst« ist deutlich spürbar, in dem alle Figuren ihre Ängste überwinden müssen – Polanski folgt auch hier dem Prinzip der dramaturgischen Ambivalenz. So identifiziert man sich mit Paulinas psychologischer Höllenfahrt genauso wie man Gerardos Zweifel und Mirandas Angst nachvollziehen kann. Das typische »Miterleben« des Zuschauers verlagert sich je nach Verlauf der dramaturgischen Konstellation. Auf diese Weise bleibt die Handlung auch für den Zuschauer stets doppeldeutig, eine sichere Erkenntnis ist bis zum Schluß nicht möglich. Dadurch entsteht ein Spannungsaufbau, der den Zuschauer stets im Dunkeln tappen läßt und ihn umso stärker an die Konflikte der Handlung bindet. Insofern erweist sich der Thriller hier einmal mehr als ein Genre, das nicht von Spezialisten bedient wird. Sein Interesse an psychologischen Konflikten, das Spiel mit dem Zuschauer lassen dieses Genre vergleichsweise offen gegenüber Konventionalisierung, wofür letztlich auch die hier vorliegende Klassifizierung des Psychothrillers spricht.

13.2.  Inhalt und Dramaturgie

Der Prolog: Paulina und Gerardo Escobar sitzen im Konzert. Auf der Bühne spielt ein Streichquartett den ersten Satz von Schuberts Der Tod und das Mädchen. Polanski überläßt den Handlungsort der Phantasie des Zuschauers. Ein Insert lautet: Ein Land in Südamerika nach dem Sturz der Diktatur. Während draußen ein Sturm tobt, bereitet Paulina in ihrem Haus am Meer das Abendessen vor. In den Radionachrichten hört sie, daß ihr Mann Gerardo den Vorsitz einer Kommission übernehmen soll, die Menschenrechtsverletzungen während der Militärdiktatur untersucht. Ein Blitz schlägt in die Stromleitung, Paulina entzündet im gesamten Haus Kerzen. Sie verbringt das Abendessen allein. Als sie anschließend auf die Veranda tritt, sieht sie in der Ferne die Scheinwerfer eines sich nähernden fremden Autos. Sofort löscht sie hektisch alle Kerzen und postiert sich mit einer Waffe hinter dem Schlafzimmervorhang. Ihr Mann Gerardo steigt aus dem Wagen und gibt Entwarnung. Er hatte eine Autopanne und wurde von einem Nachbarn nach Hause gebracht. Paulina und Gerardo haben einen Streit über die anstehende Kommission. Es wird deutlich, daß Paulina als ehemalige Widerstandskämpferin gegen die Diktatur ein überlebendes Opfer der militärischen Folterungen ist. Sie wirft ihrem Mann vor, der Kommission zugestimmt zu haben, denn diese wird sich lediglich mit den Todesfällen, jedoch nicht mit den Überlebenden befassen. In der Nacht nähert sich abermals ein Auto. Es ist nochmals der Nachbar – Dr. Roberto Miranda. Er bringt Gerardo den vergessenen Ersatzreifen. In der sicheren Dunkelheit ihres Schlafzimmers belauscht Paulina das Gespräch der beiden Männer über die Kommission. An der Stimme Mirandas glaubt sie, in dem Arzt jenen Peiniger wiederzuerkennen, der sie während ihrer Inhaftierung im Jahre 1977 gefoltert und vergewaltigt hat. Unbemerkt packt sie ihre Sachen und fährt mit Mirandas Wagen davon.

Gerardo glaubt, sie habe ihn wegen ihres Streites verlassen und betrinkt sich zusammen mit Miranda. Die beiden schließen Freundschaft. In Mirandas Wagen findet Paulina eine Kassette – Schuberts Streichquartett Der Tod und das Mädchen. Sie stürzt das Auto die Klippe hinunter. Unbemerkt kehrt sie zum Haus zurück und findet den Arzt schlafend


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