bis daraus der
Donauwalzer von Johann Strauß entsteht. Das Militärspektakel verwandelt sich in ein
Oktoberfest – ein spaßiges Duell der Weltanschauungen, in dem jedoch auch
jeder andere Wiener Walzer denselben Zweck erfüllt hätte. Der Donauwalzer
ist lediglich populärer als andere, insofern leicht wiederzuerkennen. In Ivorys
Foster-Verfilmung Zimmer mit Aussicht (Großbritannien 1986) träumt die junge Lucy
Honeychurch zu Puccinis Arie »O mio babbino caro« davon, die starren Grenzen
ihrer sittsamen Höheren-Töchter-Erziehung inmitten der toskanischen Idylle zu
durchbrechen. Der italienische Opernkomponist erscheint hier als Ausdruck eines von
Sinnlichkeit beherrschten Lebenscredos – als solcher fügt er sich nahtlos in
die italienische Landschaft ein, denkbar wäre jedoch auch eine Arie aus einer
romantischen »Gesangsoper« von Bellini oder Donizetti gewesen. Wirkungsästhetisch
gesehen fügen sich Werke solcher Art hervorragend in die emotionale Stimmung
des Films ein, sie »klingen schön oder grotesk«, sie machen die Gefühle der
Agierenden gleich einem Röntgenbild »sichtbar«. Als solche sind sie eher geeignet für
eine Wirkungsanalyse. Für unsere Fragestellung nach der dramaturgischen
Funktionalität eines Zitates sind sie jedoch manches Mal zu plakativ, ohne sie unbedingt
negativ werten zu wollen – das heißt: die Frage der Austauschbarkeit von Zitaten
ist somit das entscheidende Merkmal für die Auswahl der zu behandelnden
Filme. Aus diesem Grunde sollen Filme der obengenannten Art ausgegrenzt
werden.
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in einen theoretischen und einen praktischen Teil. Im ersten Abschnitt sollen die theoretischen Voraussetzungen für eine verständliche und nachvollziehbare Analyse geschaffen werden. Als solche ist die Arbeit im allgemeinen deduktiv angelegt. Wenn man sich mit dem Thema der Filmmusik auseinandersetzt, stößt man stets auf dieselben »Standardquellen«, auf welche die meisten Autoren Bezug nehmen – in welcher Form auch immer. Da auch diese Arbeit sich solch maßgeblichen Quellen nicht verschließen kann noch darf, sollen zunächst Theorien und ästhetische Modelle u.a. von Sergej M. Eisenstein (Manifest zum Tonfilm, 1928), Theodor W. Adorno und Hanns Eisler (Komposition für den Film, 1969) sowie Siegfried Kracauer (Theorie des Films. Die Errettung der äußeren Wirklichkeit, 1960) vorgestellt und bewertet werden. Dazu zählen auch die Monographien von Helga de la Motte-Haber und Hans Emons (Filmmusik. Eine systematische Beschreibung, 1980) sowie Norbert Jürgen Schneider (Handbuch Filmmusik. Musikdramaturgie im Neuen Deutschen Film, 1986). Die Einstellung der Autoren zu autonomer Musik im Film wird hier in besonderem Maße berücksichtigt. Der Film stellt eine Art »Gesamtkunstwerk des 20. Jahrhunderts« dar: in ihm vereinigen sich die künstlerischen Formen der vergangenen Jahrhunderte: Theater, Literatur, Tanz, Bildende Kunst – und nicht zu vergessen die Musik. Sie alle bilden im Film – abstrakt formuliert – die visuelle und die auditive Schicht. Dementsprechend werden einige Möglichkeiten ihrer Zuordnung dargestellt, die in der Filmanalyse angewandt werden. Doch handelt es sich bei der Untersuchung von autonomer Musik in erster Linie nicht um eine formale, sondern um eine funktionale Betrachtung. Musik ist unumstritten ein essentieller Teil der filmischen Dramaturgie. So legt ein Regisseur oder Filmkomponist genau an diese Stelle den Musikeinsatz und nicht eine Sekunde später. Er zeigt den Protagonisten im extremen close-up und |