- 4 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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bis daraus der Donauwalzer von Johann Strauß entsteht. Das Militärspektakel verwandelt sich in ein Oktoberfest – ein spaßiges Duell der Weltanschauungen, in dem jedoch auch jeder andere Wiener Walzer denselben Zweck erfüllt hätte. Der Donauwalzer ist lediglich populärer als andere, insofern leicht wiederzuerkennen. In Ivorys Foster-Verfilmung Zimmer mit Aussicht (Großbritannien 1986) träumt die junge Lucy Honeychurch zu Puccinis Arie »O mio babbino caro« davon, die starren Grenzen ihrer sittsamen Höheren-Töchter-Erziehung inmitten der toskanischen Idylle zu durchbrechen. Der italienische Opernkomponist erscheint hier als Ausdruck eines von Sinnlichkeit beherrschten Lebenscredos – als solcher fügt er sich nahtlos in die italienische Landschaft ein, denkbar wäre jedoch auch eine Arie aus einer romantischen »Gesangsoper« von Bellini oder Donizetti gewesen. Wirkungsästhetisch gesehen fügen sich Werke solcher Art hervorragend in die emotionale Stimmung des Films ein, sie »klingen schön oder grotesk«, sie machen die Gefühle der Agierenden gleich einem Röntgenbild »sichtbar«. Als solche sind sie eher geeignet für eine Wirkungsanalyse. Für unsere Fragestellung nach der dramaturgischen Funktionalität eines Zitates sind sie jedoch manches Mal zu plakativ, ohne sie unbedingt negativ werten zu wollen – das heißt: die Frage der Austauschbarkeit von Zitaten ist somit das entscheidende Merkmal für die Auswahl der zu behandelnden Filme. Aus diesem Grunde sollen Filme der obengenannten Art ausgegrenzt werden.

Die vorliegende Arbeit gliedert sich in einen theoretischen und einen praktischen Teil. Im ersten Abschnitt sollen die theoretischen Voraussetzungen für eine verständliche und nachvollziehbare Analyse geschaffen werden. Als solche ist die Arbeit im allgemeinen deduktiv angelegt. Wenn man sich mit dem Thema der Filmmusik auseinandersetzt, stößt man stets auf dieselben »Standardquellen«, auf welche die meisten Autoren Bezug nehmen – in welcher Form auch immer. Da auch diese Arbeit sich solch maßgeblichen Quellen nicht verschließen kann noch darf, sollen zunächst Theorien und ästhetische Modelle u.a. von Sergej M. Eisenstein (Manifest zum Tonfilm, 1928), Theodor W. Adorno und Hanns Eisler (Komposition für den Film, 1969) sowie Siegfried Kracauer (Theorie des Films. Die Errettung der äußeren Wirklichkeit, 1960) vorgestellt und bewertet werden. Dazu zählen auch die Monographien von Helga de la Motte-Haber und Hans Emons (Filmmusik. Eine systematische Beschreibung, 1980) sowie Norbert Jürgen Schneider (Handbuch Filmmusik. Musikdramaturgie im Neuen Deutschen Film, 1986). Die Einstellung der Autoren zu autonomer Musik im Film wird hier in besonderem Maße berücksichtigt.

Der Film stellt eine Art »Gesamtkunstwerk des 20. Jahrhunderts« dar: in ihm vereinigen sich die künstlerischen Formen der vergangenen Jahrhunderte: Theater, Literatur, Tanz, Bildende Kunst – und nicht zu vergessen die Musik. Sie alle bilden im Film – abstrakt formuliert – die visuelle und die auditive Schicht. Dementsprechend werden einige Möglichkeiten ihrer Zuordnung dargestellt, die in der Filmanalyse angewandt werden. Doch handelt es sich bei der Untersuchung von autonomer Musik in erster Linie nicht um eine formale, sondern um eine funktionale Betrachtung. Musik ist unumstritten ein essentieller Teil der filmischen Dramaturgie. So legt ein Regisseur oder Filmkomponist genau an diese Stelle den Musikeinsatz und nicht eine Sekunde später. Er zeigt den Protagonisten im extremen close-up und


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