- 398 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (397)Nächste Seite (399) Letzte Seite (600)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

deckt ein Privatdetektiv die gesellschaftlichen und privaten Dimensionen einer kalifornischen Korruptionsaffäre auf, Tess (1979) ist die Unschuld vom Lande bis sie an der Ausbeutung und Heuchelei der viktorianischen Gesellschaft zerbricht und schließlich zur Mörderin wird. In Frantic (1988) gerät ein amerikanischer Chirurg bei der verzweifelten Suche nach seiner Frau in die Pariser Unterwelt, während in Bitter Moon (1991) eine idyllische Romanze zu sexueller Perversion und moralischer Erniedrigung degeneriert.1
1 Stephen Pizzello: »Death and the Maiden: Trial by Candlelight.« American Cinematographer 76 (1995) 56.

Angesichts seiner Vorliebe für »schwarze Themen« ist es nicht verwunderlich, daß Polanski sich für Ariel Dorfmans Drama Der Tod und das Mädchen begeisterte. Das Werk bildet die literarische Vorlage zum Film. Nach seiner Uraufführung am Royal Court Theatre in London wurde es als bestes Theaterstück der Spielzeit mit dem Laurence Olivier Award ausgezeichnet. Im März 1992 kam das Stück in Starbesetzung mit Glenn Close, Gene Hackman und Richard Dreyfuss am Broadway heraus. Auch in deutschsprachigen Theaterhäusern war Der Tod und das Mädchen der »Renner« mehrerer Spielzeiten.2

2 Ariel Dorfman: Der Tod und das Mädchen. Frankfurt am Main 1995, S.2.
Ursprünglich wollte Polanski das Bühnenstück in Paris aufführen, doch entschied er sich nach eigenen Aussagen dagegen. Die Pläne für die Filmadaption standen bereits, so daß er von der Theaterinszenierung Abstand nahm.3
3 David Thompson: »Death and the Maiden.« Sight and Sound 4 (1995) 6.
Obwohl der Regisseur sich hier mit dem brisanten Thema der Schreckensdiktatur – wahrscheinlich – in Chile auseinandersetzt, hat der Film vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit beim Publikum erregt. Er entfachte lediglich einzelne Diskussionen bei Amnesty International. Dieses gezügelte Interesse setzte sich in den wenigen qualitativ eher oberflächlichen Rezensionen fort. Als unmittelbares musikalisches Pendant zu Titel und Thematik des Films zitiert Polanski den ersten Satz aus Franz Schuberts Streichquartett d-Moll (D 810) – Der Tod und das Mädchen. Auch ohne eingehende Analyse ist die motivische Verbindung zwischen Film und Musik mehr als offensichtlich, zumal auch Dorfman Schuberts Werk in sein Bühnenstück miteinbezieht. Darüber hinaus deutet Polanski mit Vehemenz auf die dramaturgische Rolle der Musik, indem er seinen gesamten Film in Schuberts Streichquartett einbettet. Der Film beginnt im Konzertsaal und endet auch dort. Das Streichquartett dient dem Täter Miranda als Inspiration für seine Tat, für das Opfer Paulina wird sie zur unerträglichen psychischen Qual. Das Allegro des Streichquartetts reflektiert durch seine klangliche Dominanz die psychologischen Abgründe der Charaktere. Auf diese Weise schafft Polanski mit Hilfe der Musik eine dramaturgische Stringenz, die in einem Film, der aufgrund seiner literarischen Vorlage als Kammerstück angelegt ist, umso wichtiger erscheint. Insofern ist es mehr als unverständlich, daß sich die Autoren der wenigen Rezensionen zum Film im Punkt der Musik auffallend zurückhalten oder sie erst gar nicht erwähnen. Das mag daran liegen, daß Filmwissenschaftler sich in ihren Rezensionen mit Vorliebe in filmtechnischen Details verlieren. Dabei bleiben die dramaturgischen Nuancen des Films manches Mal auf der Strecke.

Der Tod und das Mädchen ist in Anlehnung an die literarische Vorlage als Kammerspielfilm angelegt. Die Dramaturgie konzentriert sich gerade einmal auf


Erste Seite (i) Vorherige Seite (397)Nächste Seite (399) Letzte Seite (600)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 398 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik