deckt ein Privatdetektiv
die gesellschaftlichen und privaten Dimensionen einer kalifornischen Korruptionsaffäre
auf, Tess (1979) ist die Unschuld vom Lande bis sie an der Ausbeutung und
Heuchelei der viktorianischen Gesellschaft zerbricht und schließlich zur Mörderin
wird. In Frantic (1988) gerät ein amerikanischer Chirurg bei der verzweifelten
Suche nach seiner Frau in die Pariser Unterwelt, während in Bitter Moon (1991)
eine idyllische Romanze zu sexueller Perversion und moralischer Erniedrigung
degeneriert.1
1 Stephen Pizzello: »Death and the Maiden: Trial by Candlelight.« American
Cinematographer 76 (1995) 56.
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Angesichts seiner Vorliebe für »schwarze Themen« ist es nicht verwunderlich, daß
Polanski sich für Ariel Dorfmans Drama Der Tod und das Mädchen begeisterte. Das
Werk bildet die literarische Vorlage zum Film. Nach seiner Uraufführung am Royal
Court Theatre in London wurde es als bestes Theaterstück der Spielzeit mit dem
Laurence Olivier Award ausgezeichnet. Im März 1992 kam das Stück in Starbesetzung
mit Glenn Close, Gene Hackman und Richard Dreyfuss am Broadway heraus. Auch in
deutschsprachigen Theaterhäusern war Der Tod und das Mädchen der »Renner« mehrerer
Spielzeiten.2
2 Ariel Dorfman: Der Tod und das Mädchen. Frankfurt am Main 1995, S.2.
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Ursprünglich wollte Polanski das Bühnenstück in Paris aufführen, doch
entschied er sich nach eigenen Aussagen dagegen. Die Pläne für die
Filmadaption standen bereits, so daß er von der Theaterinszenierung Abstand
nahm.3
3 David Thompson: »Death and the Maiden.« Sight and Sound 4 (1995) 6.
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Obwohl der Regisseur sich hier mit dem brisanten Thema der Schreckensdiktatur –
wahrscheinlich – in Chile auseinandersetzt, hat der Film vergleichsweise wenig
Aufmerksamkeit beim Publikum erregt. Er entfachte lediglich einzelne Diskussionen bei
Amnesty International. Dieses gezügelte Interesse setzte sich in den wenigen qualitativ
eher oberflächlichen Rezensionen fort. Als unmittelbares musikalisches Pendant
zu Titel und Thematik des Films zitiert Polanski den ersten Satz aus Franz
Schuberts Streichquartett d-Moll (D 810) – Der Tod und das Mädchen. Auch
ohne eingehende Analyse ist die motivische Verbindung zwischen Film und
Musik mehr als offensichtlich, zumal auch Dorfman Schuberts Werk in sein
Bühnenstück miteinbezieht. Darüber hinaus deutet Polanski mit Vehemenz auf die
dramaturgische Rolle der Musik, indem er seinen gesamten Film in Schuberts
Streichquartett einbettet. Der Film beginnt im Konzertsaal und endet auch
dort. Das Streichquartett dient dem Täter Miranda als Inspiration für seine
Tat, für das Opfer Paulina wird sie zur unerträglichen psychischen Qual. Das
Allegro des Streichquartetts reflektiert durch seine klangliche Dominanz die
psychologischen Abgründe der Charaktere. Auf diese Weise schafft Polanski
mit Hilfe der Musik eine dramaturgische Stringenz, die in einem Film, der
aufgrund seiner literarischen Vorlage als Kammerstück angelegt ist, umso wichtiger
erscheint. Insofern ist es mehr als unverständlich, daß sich die Autoren der
wenigen Rezensionen zum Film im Punkt der Musik auffallend zurückhalten oder
sie erst gar nicht erwähnen. Das mag daran liegen, daß Filmwissenschaftler
sich in ihren Rezensionen mit Vorliebe in filmtechnischen Details verlieren.
Dabei bleiben die dramaturgischen Nuancen des Films manches Mal auf der
Strecke.
Der Tod und das Mädchen ist in Anlehnung an die literarische Vorlage als
Kammerspielfilm angelegt. Die Dramaturgie konzentriert sich gerade einmal auf
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