Werke von
Kurt Weill zurück: nur die Kontexte stiften Sinn, und nicht in erster Linie die
Texte:
»Ich behaupte damit, daß jegliche Musik da, wo sie nicht mehr bloß im Kopf
des Komponisten als Gedachte vorkommt, sondern gespielt und gehört wird,
Musik im Kontext ist, als Musik im Kontext prinzipiell vergleichbar einer
Musik zu Spektakel, und gleich jener dem Prozeß der Vergegenständlichung
unterliegt: Prozeß, den jetzt äußere Umstände wie Aufführungsorte oder -anlässe
ebenso steuern wie die Voraussetzungen, die jeder einzelne Hörer selber mitbringt:
die gesellschaftlichen/bildungsmäßigen/kulturellen und die durch individuelle
Erfahrungen bestimmten.«31
Doch neben Paulis eigener Kritik gibt es auch Einwände von anderen Seiten.
Die Polarisierung definiert Pauli als emotionale Einfärbung des inhaltlich
neutralen Bildes. Kinsky-Weinfurter argumentiert hingegen, daß der Begriff
der Neutralität nicht anwendbar ist. Das »neutrale Bild« stellt in jedem Fall
eine Fiktion dar: jede Bildbotschaft vermittelt Werte, Positionen und letztlich
Einstellungen. Damit aber schwimmen wiederum die Abgrenzungen zur
Paraphrasierung.32
32 Kinsky-Weinfurter 1993, S. 86.
|
Im Gegensatz dazu sieht de la Motte-Haber die Hypothese Paulis, nach der bei der
Polarisierung ein Bildaspekt durch Musik entscheidend geprägt wird, vor allem
durch die Ergebnisse Gerreros bestätigt. An seiner Untersuchung, in der er
Filmsequenzen mit verschiedenen Ausschnitten von Filmmusik unterlegt hatte, ließ sich
nachweisen, daß uneindeutige Bildaussagen durch Musik stärker beeinflußt
werden.33
33 Motte-Haber/Emons 1980, S. 214. Motte-Haber bezieht sich hier auf die Dissertation
von R. Gerrero: Music as a Film Variable. Ann Arbor 1969.
|
Über die bereits zitierten Ausführungen Paulis zum Begriff der Polarisierung hinaus
schreibt dieser beispielsweise Titelmusiken eine polarisierende Funktion zu, die
als eine Art Ouvertüre das Publikum auf die erste Szene oder den gesamten
Film einstimmen sollen. Nach Kinsky-Weinfurter steckt in diesem Gedanken
neben der »Einfärbung« auch die Definition der Ankündigung: wenn Musik eine
kommende Situation ankündigt, verweist sie auf etwas noch nicht Sichtbares.
Dieselbe Funktion kann sie auch innerhalb des Filmes übernehmen, besonders in
Spannungsgenres wie Abenteuerfilmen, in denen Musik häufig bereits dann
Bedrohung ankündigt, wenn sie durch das aktuelle Filmbild noch gar nicht motiviert
scheint.34
34 Kinsky-Weinfurter 1993, S. 87.
|
In diesem Falle ergibt sich jedoch wiederum eine Vermischung der Grenzen, denn Musik
als Ankündigung steht im Gegensatz zum gezeigten Bild und würde dann eher eine
kontrapunktierende Funktion erfüllen. Kinsky-Weinfurter schränkt dies jedoch insofern
ein, als daß Musik als »polarisierende Ankündigung« im Film mittlerweile eine
Alltagserscheinung ist und als solche einer konventionellen Polarisierung entspricht. Der
Sinn einer antizipierenden Musik, die er unter den Begriff der Polarisierung faßt, ergibt
sich aus den nachfolgenden Bildern. Zur Polarisierung durch Musik schreibt
Lissa:
»Neben allen [...] geschilderten Funktionen der Musik, von denen sich
einige vornehmlich auf Einzelheiten des Bildes beziehen, andere dagegen auf
längere Sequenzen oder auch den Film als Ganzes, ist jene Funktion sehr
wichtig, die mehrere Szenen zu einem im Ausdruck einheitlichen Ganzen
verbindet. Es handelt sich hier um jene Funktion der Musik, in der sie der
Entwicklung der Handlung vorausgeht, deren Entwicklungsrichtung ankündigt,
in
|