- 345 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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mit Eisenbahnmusik.63
63 Ulrich Schreiber: Die Kunst der Oper, Geschichte des Musiktheaters, Bd. 2: Das 19. Jahrhundert. Frankfurt am Main 1991, S. 182.
Unter seinen späten Klavierstücken findet sich sogar ein Stück mit dem Titel Petit train de plaisir (comico-imitatif), in dem er mit musikalischen Mitteln eine Eisenbahnfahrt schildert – und das bei einem Mann, der prinzipiell die moderne Technik mied, selbst seine Urne, bat er, sollte nicht per Bahn transportiert werden.64
64 Adolph Kohut: Rossini. Leipzig 1892, S. 98; vgl. auch Scherliess 1993, S. 108.
Kurz vor seinem Tod schreibt Rossini an einen Kollegen die melancholischen Worte: »Den Ausführungen deines Briefes entnehme ich, daß Du immer noch für die Musik begeistert bist [...]. Diese Kunst, die allein das Ideale und das Gefühl zur Grundlage hat, kann sich nicht dem Einfluß unserer Zeit entziehen. Das heutige Ideal besteht ausschließlich in Umwälzungen, die sich auf Dampfmaschinen, Raub und Barrikaden erstrecken.«65
65 Gioacchino Rossini, zit. n. Holland 1987, S. 355–356.

So hat er es in seiner Musik stets vorgezogen, die Maske von Ironie und Zynismus aufzusetzen, um auf diese Weise der Entwicklung einer Gesellschaft zu begegnen, die nichts von den Idealen der Französischen Revolution zurückbehält, mit denen er aufgewachsen war.

Ein kurzer Vergleich mit Beethoven ist angebracht. Raphael Georg Kiesewetter sprach 1834 auch von der »Epoche Beethovens und Rossinis«.66

66 Scherliess 1993, S. 53.
Beide standen für zwei Grundprinzipien der Musik: sinfonischer Stil und durchgearbeitete Satzkunst auf der einen Seite bei Beethoven, flächiges al fresco und brillante Dekorationskunst auf der anderen. Beide könnten auch als erste Exponenten einer Teilung in »hohe« und »niedere« Musik verstanden werden67
67 Vgl. auch Bernd Sponheuer: Musik als Kunst und Nicht-Kunst. Untersuchungen zur Dichotomie von »hoher« und »niederer« Musik im musikästhetischen Denken zwischen Kant und Hanslick (= Kieler Schriften zur Musikwissenschaft, Bd. XXX, hrsg. von Friedhelm Krummacher und Wolfram Steinbeck). Kassel/Basel/London u.a. 1987, S. 9–35.
, die bis heute anhält. Beide waren Repräsentanten »zweier Kulturen der Musik«, die den Begriff vom musikalischen Kunstwerk in unterschiedlicher Art und Weise prägten. Während Beethovens Partituren »unantastbare musikalische Texte« darstellen, deren Sinn sich durch Interpretationen ergibt, sind Rossinis Partituren bloße Vorlagen für eine Aufführung, die als Realisierung eines Entwurfes und nicht als Auslegung eines Textes zu verstehen sind. Letztere bildet, so Dahlhaus, die ästhetisch entscheidende Instanz bei der Beurteilung beider. Rossinis Denken kreist weniger um die tradierte tönende Auslegung des Textes als vielmehr um die Aufführung als Ereignis. Die Oper war für ihn keine autonome musikalische Gattung, sondern reine Theaterkunst.68
68 Dahlhaus 1980, S. 7–8.

Obwohl Rossini in der Oper Die Diebische Elster Themenmaterial der Ouvertüre verwendet, soll im folgenden lediglich die Ouvertüre analysiert werden, da weniger der Inhalt der Oper als ganz offensichtlich vielmehr die Stilistik seiner Melodik zur Debatte steht.

In ihrer stabilisierten Form enthält diese Rossini-Ouvertüre eine langsame Einleitung, erstes und zweites Thema, eine Reprise und eine Coda – somit eine funktionsgerecht verkleinerte Form des klassischen Sonatenschemas.69

69 Richard Osborne: Rossini. Leben und Werk. München 1988, S. 171.
Dies zeigt sich

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