- 343 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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legitimen Rechte eintreten konnten. [...] Die Restauration war Rossinis Triumphzeit.«56
56 Heinrich Heine 1837, zit. n. Grempler 1996, S. 2.

Wie weit Rossinis politischer Kommentar in seiner Musik ging, kann an dieser Stelle nicht geklärt werden. Tatsache ist jedoch, daß die politischen Verhältnisse in Italien zur Zeit des Risorgimento mit all ihren wechselnden Fremdherrschaften, Kriegen und Bespitzelungen nicht ohne Einfluß auf die Oper blieben. In diesem Zusammenhang erwähnt Scherliess Rossinis Diebische Elster. Hier spüre man durch die vordergründige Heiterkeit hindurch den tiefernsten Hintergrund des Sujets, in dem sich die Alltagswirklichkeit spiegelt: Leben in Angst und Verfolgung, Kriegsrecht, Todesstrafe, dann plötzlicher Friedensschluß nebst Amnestie – das sind auslösende Momente für die Handlung. Daß sich die Fremdherrscher von Rossini auf die eine oder andere Art kompromittiert gefühlt haben müssen, zeigt die Zensur seiner Opern. Im Falle Wilhelm Tells, der sich ja expressis verbis gegen die Habsburger wendet, ist belegt, daß er oft nur mit einschneidenden Veränderungen und unter unverfänglicheren Titeln aufgeführt werde durfte. Auch andere Werke waren betroffen.57

57 Scherliess 1993, S. 76.

Rossinis »Botschaft« in seinen Werken ist umstritten, da der Komponist selber nur wenige Kommentare zur politischen Lage abgab. Zudem sind seine Äußerungen mit Vorsicht zu betrachten. Grempler schließt aus diesen Widersprüchen: »Wie Rossinis politische Einstellung auch interpretiert wurde, als Erklärungsansatz zog die deutsche Musikforschung seine Kindheitserfahrungen heran und dies sicher nicht zu Unrecht.«58

58 Grempler 1996, S. 25.
So war sein Vater von den Ideen der Französischen Revolution überzeugt und begrüßte die Eroberung seiner Heimat durch Napoleon. Angesichts der Tatsache, daß die Ideen der Französischen Revolution während der Restauration zum Stillstand gekommen waren, mag die Bezeichnung »heiterer Skeptiker« durch Wagner durchaus angemessen sein, denn als einer der ersten Komponisten des frühindustriellen Zeitalters spürte er am eigenen Leibe, daß das Ancien régime wirklich vorbei war. Dennoch schrieb er noch zahlreiche komische Opern, versuchte es auch mit der opera seria bzw. der semi-seria. Dies prägt die musikalische Sprache seiner Ouvertüren, die den Weg in den Konzertsaal gefunden haben. Hier stößt man auf den neuen Tonfall, mit dem Rossini auf die Zeit der Umwälzungen zwischen Industrieller Revolution und Restauration reagierte. Er verkündete sogar frivol, wer eine seiner Opern kenne, kenne sie alle. Er gefiel sich darin, eine kompositorische Attitüde der Verweigerung anzunehmen, das Komponieren nicht mehr als Ernstfall zu begreifen. Die Lust am Komponieren wird zur Lust am Mechanischen. Die Ouvertüre zur Diebischen Elster weist beispielsweise sehr viele Ähnlichkeiten zu der Ouvertüre des Barbier von Sevilla auf, die ein Jahr zuvor 1816 entstanden war. Sie beziehen sich nicht auf den Inhalt der folgenden Oper, sondern sind wiederum das, was sie ursprünglich einmal waren – eine Opern-Sinfonia, die im Austausch begriffen ist. So dient die Ouvertüre von Rossinis Opera seria Elisabetta, Regina d’ Inghilterra (1815) meist als Einleitung zur zum Barbier von Sevilla, da deren eigentliche Ouvertüre verlorengegangen ist.59
59 Altmann 1989, S. 301.
Rossinis Ouvertüren treten wie oben

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