- 341 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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Geschichte ein glückliches Ende findet. So hält er seine Oper im Stil der Opera semiseria.48
48 Martina Grempler: Rossini e la patria. Studien zu Leben und Werk Gioachino Rossinis vor dem Hintergrund des Risorgimento (= Kölner Beiträge zur Musikforschung, Bd. 195, hrsg. von Dietrich Kämper.) Kassel 1996, S. 1.

Was sich in erster Linie mit dem Namen Rossini verbindet, sind eher liebenswürdige Geschichten als Fakten. Die tiefe Kluft zwischen Legende und Realität läßt sich kaum überbrücken. Im Vordergrund steht immer wieder die Persönlichkeit, der Charakter Rossinis. Hier gewinnt man stets den Eindruck, als hätte man zwei ganz verschiedene Personen vor sich: »Da ist zunächst der souveräne Lebenskünstler, ein Mann von überschäumendem Temperament: quirlig, laut auftrumpfend und stets zu Streichen aufgelegt wie seine populärste Opernfigur, der Figaro im Barbiere di Siviglia; ein wahres Füllhorn an Anekdoten und brillanten Aperçus; ein lustig-genialischer Musikant, dem die Melodien nur so zufliegen und der emsig eine Oper nach der anderen produziert. [...] Diesem einen Rossini nun – dem von wahren und erfundenen Geschichten umrankten Bonvivant [...] – steht der andere gegenüber. [...] Hinter seiner epikureischen Lebensauffassung werden Melancholie und Resignation spürbar. [...] Seine Leidenschaft für Essen und Trinken [...] und seine sprichwörtliche Liebenswürdigkeit nach außen waren ebenso wie sein unerschöpflicher Witz nur ein dünner Schleier über dem Abgrund.«49

49 Volker Scherliess: Gioacchino Rossini. Reinbek 1993, S. 11–13.

Zeitgenossen Rossinis bewunderten den Witz und die Leichtigkeit seiner komischen Opern und übertrugen diese Eigenschaften auch auf den Menschen Rossini, der hingegen nichts tat, um dies zu widerlegen. Vielmehr kultivierte er seinen Ruf als Lebenskünstler, indem er sich darüber hinaus selbst der »Passion der Faulheit von jeher«50

50 Ferdinand Hiller 1856, zit. n. Scherliess 1993, S. 13.
bezichtigte. Als ihm ein Impresario das Libretto für einen Opernauftrag mit den Worten aushändigte, es tauge wenig, gab er zur Antwort: »Macht nichts, ich werde eine Musik schreiben, die noch weniger als das Libretto taugt.«51
51 Gioacchino Rossini, zit. n. Dietmar Holland: »Gioacchino Rossini.« In: Csampai/Holland 1987, S. 353.
Was an seiner Musik allgemein faszinierte, war ihre »unerhörte« Wirkung. Neben dem zündenden, mitreißenden Schwung besonders in seinen Ouvertüren wie den instrumental geprägten Gesangsnummern stand eine bedrückende Anmut der lyrischen Teile. Solche Extreme des Effektes auf engem Raum hatte es in der Musikgeschichte bisher nicht gegeben. Rossini wurde zur Personifikation des Vitalen in der Musik. Dies machte ihn jedoch auch zur Zielscheibe vieler Kritiker. Die zeitgenössischen Gazetten waren angefüllt mit Hymnen und Verrissen. Besonders den Kritikern der französischen oder deutschen Schule waren seine Effekte zu vordergründig und oberflächlich. Die anderen begeisterten sich für das Tempo, die Lautstärke und Kraft seiner Musik. In unserer Zeit hat der Kritiker Fedele d’Amico den vorherrschenden Wesenzug von Rossinis Musik mit den Begriffen »spirito orgiastico« (überschäumender Geist) und »allegrezza vitale« charakterisiert. Letzterer bedeutet nicht nur Fröhlichkeit im Sinne von Komik, sondern eine spezifische Form von Heiterkeit – ein Ausbruch von Lebensfreude.52
52 Friedrich Lippmann: »Rossini – und kein Ende.« Studi musicali 10 (1981) 281; vgl. auch Scherliess 1993, S. 47.

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