Geschichte ein glückliches Ende findet. So hält er seine Oper im Stil der Opera
semiseria.48
48 Martina Grempler: Rossini e la patria. Studien zu Leben und Werk Gioachino Rossinis
vor dem Hintergrund des Risorgimento (= Kölner Beiträge zur Musikforschung, Bd. 195,
hrsg. von Dietrich Kämper.) Kassel 1996, S. 1.
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Was sich in erster Linie mit dem Namen Rossini verbindet, sind eher liebenswürdige
Geschichten als Fakten. Die tiefe Kluft zwischen Legende und Realität läßt sich kaum
überbrücken. Im Vordergrund steht immer wieder die Persönlichkeit, der Charakter
Rossinis. Hier gewinnt man stets den Eindruck, als hätte man zwei ganz verschiedene
Personen vor sich:
»Da ist zunächst der souveräne Lebenskünstler, ein Mann von überschäumendem
Temperament: quirlig, laut auftrumpfend und stets zu Streichen aufgelegt wie
seine populärste Opernfigur, der Figaro im Barbiere di Siviglia; ein wahres
Füllhorn an Anekdoten und brillanten Aperçus; ein lustig-genialischer Musikant,
dem die Melodien nur so zufliegen und der emsig eine Oper nach der anderen
produziert. [...] Diesem einen Rossini nun – dem von wahren und erfundenen
Geschichten umrankten Bonvivant [...] – steht der andere gegenüber. [...]
Hinter seiner epikureischen Lebensauffassung werden Melancholie und Resignation
spürbar. [...] Seine Leidenschaft für Essen und Trinken [...] und seine
sprichwörtliche Liebenswürdigkeit nach außen waren ebenso wie sein unerschöpflicher
Witz nur ein dünner Schleier über dem Abgrund.«49
49 Volker Scherliess: Gioacchino Rossini. Reinbek 1993, S. 11–13.
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Zeitgenossen Rossinis bewunderten den Witz und die Leichtigkeit seiner komischen
Opern und übertrugen diese Eigenschaften auch auf den Menschen Rossini, der
hingegen nichts tat, um dies zu widerlegen. Vielmehr kultivierte er seinen Ruf als
Lebenskünstler, indem er sich darüber hinaus selbst der »Passion der Faulheit von
jeher«50
50 Ferdinand Hiller 1856, zit. n. Scherliess 1993, S. 13.
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bezichtigte. Als ihm ein Impresario das Libretto für einen Opernauftrag
mit den Worten aushändigte, es tauge wenig, gab er zur Antwort: »Macht
nichts, ich werde eine Musik schreiben, die noch weniger als das Libretto
taugt.«51
51 Gioacchino Rossini, zit. n. Dietmar Holland: »Gioacchino Rossini.« In: Csampai/Holland
1987, S. 353.
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Was an seiner Musik allgemein faszinierte, war ihre »unerhörte« Wirkung. Neben dem
zündenden, mitreißenden Schwung besonders in seinen Ouvertüren wie den instrumental
geprägten Gesangsnummern stand eine bedrückende Anmut der lyrischen Teile. Solche
Extreme des Effektes auf engem Raum hatte es in der Musikgeschichte bisher nicht
gegeben. Rossini wurde zur Personifikation des Vitalen in der Musik. Dies machte ihn
jedoch auch zur Zielscheibe vieler Kritiker. Die zeitgenössischen Gazetten waren
angefüllt mit Hymnen und Verrissen. Besonders den Kritikern der französischen oder
deutschen Schule waren seine Effekte zu vordergründig und oberflächlich. Die anderen
begeisterten sich für das Tempo, die Lautstärke und Kraft seiner Musik. In unserer Zeit
hat der Kritiker Fedele d’Amico den vorherrschenden Wesenzug von Rossinis
Musik mit den Begriffen »spirito orgiastico« (überschäumender Geist) und
»allegrezza vitale« charakterisiert. Letzterer bedeutet nicht nur Fröhlichkeit im Sinne
von Komik, sondern eine spezifische Form von Heiterkeit – ein Ausbruch von
Lebensfreude.52
52 Friedrich Lippmann: »Rossini – und kein Ende.« Studi musicali 10 (1981) 281; vgl. auch
Scherliess 1993, S. 47.
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