Bewegung als
Wesensmerkmal der visuellen Schicht zu erfassen. Kloppenburg zieht hier den Begriff der
Sukzession vor, da er »präziser die Bewegung als planvollen Umgang mit dem
Verströmen von Zeit, als Strukturierung zeitlicher Abläufe zur Schaffung von Sinn
(-zusammenhängen)«7erfaßt.
Sinn wird vermittelt durch die Bildinhalte in bezug auf Vorhergehendes und
Nachfolgendes wie ihre Summe. Hier ist nach Schneider gemäß der visuellen
Schicht das Auge gefordert, welches mit seiner Verbindung zum »denkenden
Großhirn« Assoziationen zwischen den Bildern herstellt durch Denkakte, Urteile
und Schlußfolgerungen. Diese Akte können lediglich durch die Filmmontage
ausgelöst werden, deren Aufgabe es ist, ablaufende Szenen in der Art und Weise
zusammenzustellen, so daß der Zuschauer das vom Regisseur beabsichtigte
Urteil fällt; es handelt sich somit bei der visuellen Schicht um einen intendierten
Inhalt.8
Der außerbildliche Rest, den der Zuschauer erfassen muß, betrifft nicht nur den rein
formalen Ablauf der Filmfabel. Hier ist, vor allem in Spielfilmen, das bereits
erwähnte vierte Element der Einheit des Films hineingeflochten: die vermuteten
psychischen Inhalte, die mit der jeweiligen Filmsituation verbunden sind. Der
Zuschauer kann diese erfassen, indem er einerseits die visuell faßbaren Bilder
wahrnimmt, andererseits das Verhältnis zwischen ihnen herstellt und es nicht nur
von formaler Seite, sondern auch emotional oder intellektuell betrachtet. Lissa
bringt hier das Beispiel des Filmhelden, der seine Lage begriffen hat und mit
entsprechenden Gefühlen darauf reagiert. Doch die Art der Gefühle transportiert der
Zuschauer beispielsweise anhand von Mimik und Gestik des Schauspielers selbst
hinein. Die visuelle Schicht im Film besteht im groben aus zwei Kategorien:
agierende, bewegliche Menschen – »polyrhythmisch« – und die als Hintergrund
funktionierenden statischen Gegenstände, z.B. die Natur. Doch nach Lissa reicht diese
Einteilung bei weitem nicht aus, da sie lediglich vom Theater – Schauspieler
und Dekoration – übernommen wurde. Im Gegensatz zum Theater kann der
Mensch auch im Hintergrund wirken, z.B. in Massenszenen, andererseits kann die
Kamera durch Kamerafahrten »tote Gegenstände« im Hintergrund zum Leben
erwecken.
Zu der Ebene der auditiven Schicht zählt Lissa neben der Musik auch Geräusche, die menschliche Rede sowie die Stille. Musik im Film ist im Gegensatz zur autonomen Musik – mit Ausnahme der Programmusik – grundsätzlich zweischichtig. Zum einen hat sie ihre klangliche Schicht im Film, zum anderen weist sie in ihrer Funktionalität auf etwas von ihr Verschiedenes hin, was sich im Film durch das Bild konkretisiert. Hanslicks Diktum von der »tönend bewegten Form« erfährt im Film also eine Verfremdung. In Verbindung mit dem Visuellen fügt die Musik den bereits erwähnten »Rest« zum Bild hinzu, der in keiner der visuellen Schichten enthalten sein kann, der jedoch unerläßlich für die Ganzheit des Filmwerkes ist. Musik im Film ist grundsätzlich als der »zweite Boden« einer Filmszene zu sehen aufgrund der Inhalte, die sie im Bild hervorhebt oder in das Bild hineinträgt. Somit hat der Film gemäß den Ausführungen Lissas neue Konventionen des Wirkens von Musik ausgearbeitet, in denen das Zusammenwirken konkret individueller Inhalte mit der Musik, die ihrer Natur nach selbst keine konkret individuellen Inhalte ausdrücken kann, auf den Zuschauer natürlich wirkt. |