als
emotional etikettiert. Für den Zuschauer zunächst eher unbewußt, da er sich
mehr auf den optischen und kommunikativen Eindruck, sprich auf das Bild, die
handelnden und sprechenden Personen konzentriert. Im späteren Filmverlauf kann
durch Wiederauftreten derselben Musik an diese Situation oder Person erinnert
werden. Für eine Dramaturgie des Films ist dieses Wissen von großem Wert.
Schlüsselstellen und dramaturgische Angelpunkte können mit einer Musik als
Garant für die Eintönung in eine bestimmte Emotionslage markiert werden. In
den »Musikstellen« konzentriert sich der hauptsächliche Inhalt des Filmes,
der dadurch sehr lange im Gedächtnis bleiben kann. Doch dieser Vorteil kann
auch ins Gegenteil umschlagen. Die auditive Schicht – die Musik – im Film
als »affektives Gedächtnis« zu nutzen, verführte den Musikdramaturgen im
Laufe der Musikgeschichte nicht selten zu mechanistischer Anwendung von
Musik, die das Medium Film in ihrer Glaubwürdigkeit mindert und abstoßend
machen kann. Ein Beispiel hierfür ist die Leitmotivtechnik. Der stereotype
Einsatz von musikalischen Leitmotiven im Film veranlaßte Igor Strawinsky
zu der Meinung, Filmleute bedienten sich der Musik, um Gefühlsregungen zu
erzeugen und verwenden sie wie ein Parfüm, das gewisse Erregungen hervorrufen
sollte.4
Der bewußte Umgang mit den Freiräumen des Films, die sich beim kreativen
Einsatz der komplementären Funktionen von Auge und Ohr ergeben, ist für
Schneider ein Grundsatz der Filmmusik. Er zitiert in diesem Zusammenhang den
Regisseur Robert Bresson: »Jedesmal, wenn ich ein Bild durch ein Geräusch
ersetzen kann, tue ich es. Und ich mache das immer häufiger – das Ohr ist sehr
viel schöpferischer als das Auge. Das Auge ist faul, das Ohr dagegen erfindet
. . . «5
Im Zusammenhang der auditiven und der visuellen Schicht verwendet Schneider die Begriffe »analog« und »digital«, welche auf die Kommunikations- bzw. Zeichentheorie verweisen. Demnach ist der digitale Anteil eines mitgeteilten Inhalts derjenige, welcher sich durch die fest umrissenen Bedeutungen von Worten ergibt – er könnte also auch in Schriftform fixiert werden. Der digitale Anteil an Informationen ist also eindeutig und entspricht eher dem Intellekt und dem Denken. Der analoge Anteil ist der Inhalt, der als Stimmklang, Timbre, Lautgestik bzw. Ausdruck der Stimme unabhängig vom Inhalt des Wortes mitgeteilt wird und eher das Fühlen anspricht. In der Regel ergänzen sich digitaler und analoger Aspekt beim Sprechen. Das Begriffspaar »digital-analog« läßt sich nun auch mit den Funktionspaaren »Auge und Ohr« bzw. »Film und Musik« in Beziehung setzen. In der Dramaturgie des Films ist daher zu unterscheiden zwischen dem digital vermittelten Anteil der Informationen (Bildaussage und Dialog) und dem analog vermittelten Anteil (Filmmusik, Geräusche, Farbstimmungen u.ä.). Im Falle der Filmmusik ist festzuhalten, daß sie vorwiegend im Sinne analoger Kommunikation eingesetzt wird.6 Unter der »ontologischen Struktur des Tonfilms« faßt Lissa vier Faktoren des Films zusammen: die visuelle und die auditive Schicht sowie die dramaturgische Fabel und den psychischen Inhalt des Films. Alle vier Schichten sollten als untrennbares Ganzes gesehen werden. Grundsätzlich identifiziert Lissa die visuelle Schicht mit den im Film in Bewegung »dargestellten Gegenständen.« Diese bilden die fotografische Rekonstruktion realer Gegenstände und ihrer Bewegungen. Letztere bedeuten Veränderlichkeit. Veränderung gestattet es dem Zuschauer, die |