- 297 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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allmählich in eine selige Zuversicht: ›die fröhliche Wissenschaft‹ – auslösen.«194
194 G. Mahler, Brief an Friedrich Löhr vom 29. August 1895, zit. n. Blaukopf 1982, S. 127.
Ein Jahr später vollendet er das Werk, das nun folgende Untertitel trägt: Ein Sommermittagstraum
1. Pan erwacht: Der Sommer marschiert ein (Bacchuszug).
2. Was mir die Blumen auf der Wiese erzählen.
3. Was mir die Tiere im Walde erzählen.
4. Was mir der Mensch erzählt.
5. Was mir die Engel erzählen.
6. Was mir die Liebe erzählt.195
195 Silbermann 1986, S. 246–247; vgl. auch G. Mahler, Brief an Max Marschalk vom 6. August 1896, zit. n. Blaukopf 1982, S. 129. Silbermann weist dies als die Endfassung aus. In den Briefen Mahlers finden sich frühere, zum Teil erheblich voneinander abweichende Programmentwürfe (Blaukopf 1982, S. 128/165/173). Floros hat das Programm der dritten Sinfonie mit zwei Gedichten von Siegfried Lipiner in Beziehung gesetzt und ausführlich Entstehung und Bedeutung der Programmentwürfe dargelegt; vgl. Constantin Floros: Gustav Mahler III. Die Symphonien. Wiesbaden 1985, S. 75–82; vgl. auch Stenger 1998, S. 78–80/314–315.

Aufgrund der Titel, die Mahler als Anhaltspunkt und Wegweiser für Nichtmusiker vorgesehen hatte, wurde der Sinfonie das Etikett der Programmusik verliehen. In den Werkverzeichnissen wird sie daher ohne die ursprünglichen poetischen Titel angeführt, sondern lediglich mit den Satzbezeichnungen. Der vierte Satz lautet demnach »Sehr langsam. Misterioso. Durchaus ppp (Text: Friedrich Nietzsche).«196

196 Silbermann 1986, S. 246–247.
Auch wenn Mahler seine dritte Sinfonie nicht zur Programmusik heruntersetzen wollte, so beschreiben die Sätze dennoch Bilder mit einem poetischen Gehalt. Insofern spannt Mahler vom ersten bis zum sechsten Satz den Bogen von der leblosen Natur bis hin zur Liebe, jeder Satz enthält ein anderes Bild.

Die Mahler-Literatur sieht in der Konzeption des Vokalsatzes heute noch immer ein Rätsel. Während beispielsweise die zweite Sinfonie Mahlers in einem Chorfinale mündet, ist der vierte wie auch der fünfte Satz der Sinfonie Teil einer Kette von Sätzen der II. Abteilung, die dem überdimensionalen ersten Satz gegenübersteht. Die Vokalsätze bedeuten hier keinen Abschluß. Daher sind sie eher als Episoden zu bezeichnen. Was der vierte Satz letztlich aussagt, ergibt sich nur durch die Erschließung des Textes von Nietzsche aus seinem Werk »Also sprach Zarathustra« (1883–85). Der Text des vierten Satzes entstammt dem vierten und letzten Teil aus Nietzsches Werk. Dieses »Buch für alle und keinen« erschien zunächst im Jahre 1885 in begrenzter Auflage. Erst mit der zweiten Auflage von 1893 wurde es bekannt. Mahler wählte also einen seinerzeit neuen Text. Die Verse des vierten Satzes sind die berühmten Schlußzeilen (Teil 12) aus Zarathustras »Trunkenem Lied.« Es ist Mitternacht. In einem Gespräch zwischen dem Leben und Zarathustra gibt das Leben ihm zu erkennen, daß es von seinen Selbstmordgedanken weiß, für die es Zarathustra Vorwürfe macht und ihn der Untreue ihm gegenüber bezichtigt. Das Leben bewundert seine Weisheit, warnt ihn zugleich, denn falls seine Weisheit ihn je verlassen würde, würde die Liebe des Lebens ihn auch verlassen. Wieweit Mahlers Verständnis des gesamten Werkes Nietzsches reichte, geht weder aus der Wahl der Dichtung noch aus ihrer Vertonung hervor. Dagegen ist die Interpretation des vierten Satzes auf die Vertonung der einzelnen Textworte und darüber hinaus auf


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