kann
und seine Musik als stilistisch schwach ablehnt. Die Brüskierung Aschenbachs
ist ein Ergebnis seiner Doktrin, die nur von seinem Geist geprägt ist. Mit der
Verneinung jeglicher Sinnlichkeit in seinem Werk ignoriert er die natürliche
Lebendigkeit des Menschen. Mahlers Drang, »sich ausdrücken«, die Facetten des
Lebens, die aus Natur und Geist bestehen, in einer Harmonie in seinen Werken zu
vereinen, rechtfertigen ihn als Künstler und Mensch in einer Person. Aschenbach
hingegen ist Mensch und Künstler zugleich aus der Perspektive seiner rein geistig
orientierten Haltung, die er sowohl für sein Leben als auch in seinem Werk als
oberste Doktrin zu erreichen sucht. Das Ergebnis: die »Abstraktion der Sinne«,
aus der jegliches Leben entwichen ist: »Deine Musik ist totgeboren[. . . ] Jetzt
hindert dich nichts mehr daran, dich ins Grab zu legen, zusammen mit seiner
Musik!« Mit seiner Musik hält er der Gesellschaft seiner Zeit – jedoch unbewußt
– auch einen Spiegel vor und markiert bereits ihr Ende. Alfried entlarvt die
Verlogenheit seiner Doktrin und deutet ein weiteres Mal auch auf sein Ende
hin.
5. Sequenz: Aschenbachs Tod Die Harfenarpeggien setzen als Fremdton ein (vgl. Sequenzprotokoll Anhang B.2.5), als Tadzio sich zum ersten Mal von Jasciu losreißt. Als dieser ihn ein weiteres Mal überwältigt, setzt das Eröffnungsmotiv ein. Kurz darauf folgt mit der Eins des nächsten Taktes der Schnitt mit einer Großaufnahme von Aschenbach, der panisch und hilflos reagiert. In den ersten drei Einstellungen wird das Problem der eindeutigen Zuordnung von visueller und auditiver Ebene deutlich. Vor dem Sonnenuntergang, zu dem die Harfenarpeggien der ersten Einstellung bereits die Bewegungen des Meeres paraphrasieren, findet die Rauferei der Jungen statt, die zu dem Gesamteindruck kontrastiert, da sie den Bildvordergrund bildet. Auch die folgende Einstellung erfaßt einen kraftlosen und zitternden Aschenbach, dem bereits die schwarze Farbe seiner Haare wie Blut an den Schläfen entlangläuft – eine Großaufnahme, die klar zu dem ruhigen Gestus der Musik kontrastiert. Da sowohl die beiden Jungen in den ersten beiden Einstellungen als auch Aschenbach in der dritten Einstellung den Bildvordergrund bilden, ist die Musik hier ein dramaturgischer Kontrapunkt, da sie die Diskrepanz zwischen ihrem ruhig melancholischen Melodieverlauf und der Verdichtung der Handlung im Bild offenbart. Erst mit der vierten Einstellung (Takt 5) wandelt sich der Kontrapunkt in eine affirmative Paraphrasierung. Nachdem Tadzio die Entschuldigung seines Freundes ausgeschlagen hat, geht er gegen den Sonnenuntergang auf das Meer zu. Jeglicher Dialog entfällt in der gesamten Sequenz. Neben den eher bedeutungslosen Schrittgeräuschen auf dem Sand – nach Lissa ein natürliches Geräusch, das durch die Bewegungen der Figuren entsteht – bildet die Musik den Schwerpunkt in der auditiven Schicht. Wiederum wird sie zum alleinigen Wortträger. Zusammen mit der Kameraeinstellung bildet sie auch hier ein musikalisches Tableau, denn die Kamera |