etwas Neues auslöst, die Bedingungen knüpft und einlöst, sondern
eher eine freie Formung, die ständigen Veränderungen unterliegt. Entsprechend
sind die Ableitungen dieser Motivik, die sich besonders in der rhythmischen
Gestaltung durch den gesamten Satz, auch durch alle folgenden Themen ziehen.
Mahlers Prinzip der Themengestaltung ist in erster Linie die Variante: eine
phantasievolle Motivumbildung, die sein kann aber nicht muß. Diese stellt sich nicht als
zwingend dar, sondern ist eher frei. So erlangt der Hörer den Eindruck des
»ewig Fließenden« und am Ende ins Nichts verschwindenden musikalischen
Verlaufes.173
Adorno bezeichnet diese Kompositionstechnik als »Musik
des Werdens und der Entwicklung« und des »romanhaften«
Komponierens174:
eine Kompositionstechnik, die nicht auf die Darstellung einer Vielfalt, einer dialektisch
motivischen Logik abzielt im klassischen Sinne, sondern in der Wiederkehr
des verwandten Materials begründet ist, das letztlich die Einheit des Satzes
garantiert.
Auffällig ist, daß Kommentatoren gewöhnlich die fünfte Sinfonie Mahlers zwar kompositionstechnisch analysiert haben, sich aber von einer möglichen außermusikalischen Deutung fernhalten. Ein Grund dafür sind sicherlich die melodischen, thematischen, rhythmischen und formalen Widersprüchlichkeiten des gesamten Werkes, die eine analytische Deutung wichtiger erscheinen lassen. Dabei wird stets darauf hingewiesen, daß Mahler mit der fünften Sinfonie einen neuen Abschnitt seines sinfonischen Schaffens betreten hat: er hat die Sinfonie nicht nur rein instrumental gehalten ist, sondern hat sich auch von den lyrisch-poetischen Vorlagen der ersten vier Sinfonien entfernt. Mahler zitiert nicht nur tradiertes Material, um neue Formen zu schaffen, er verläßt im Zuge dessen auch die traditionellen Regeln des Kontrapunkts und der melodischen Linienführung und läßt den traditionellen Choral im letzten Satz außer Acht. Silbermann spricht hier von der »Zerstörung der traditionellen Sprache« sowie dem »Aufbruch in neue Gefilde.« Die Sinfonie sei als das erste »realistische« Werk anzusehen, als eine »Sinfonie der Realitäten.«175 Doch Realität betrifft auch die Gefühlslagen eines Menschen, auch als Reaktion auf seine Umwelt. Silbermann geht sogar soweit, die fünfte Sinfonie als Reflexion des ideellen Subjektivismus Mahlers zu interpretieren, die bis hin zur »egoistischen Selbstverwirklichung« reicht. Letzteres ließe sich bestätigen durch die verwickelte Eigenwilligkeit in Technik und Ausdruck, die über dem gesamten Werk liegt. Insofern ist die rein technische Deutung des Werkes zu einseitig, da die verschiedenen Stimmungen das Werk eines Menschen sind, der seine Ideologie in seinem musikalischen Schaffen umzusetzen versucht. Als solche eine Denkweise, die untrennbar ist von dem Geist des Komponisten, der sie verwirklichen will.Über Sinn und Wert des für Mahler ungewöhnlich idyllischen und sentimentalen Adagiettos wird als Folge der allgemeinen Zurückhaltung in der Literatur viel spekuliert. Csampai betrachtet das Adagietto als »kleine Hintertür für Mahlers Weltflucht«, möglicherweise auch die »depressive Melancholie des Erfolgreichen« oder die »Sehnsucht nach ein wenig Ruhe«, das »Ausruhen-Wollen einer bedrängten, zerrissenen, heimatlosen Seele.«176 Diesen doch sehr feuilletonistisch überschwenglichen |