- 266 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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hat, so lassen zumindest die Satzüberschriften auf intendierte Stimmungen und Gefühlslagen schließen. Ohne daß eine Geschichte erzählt wird, schließen sie sich strukturell im Kontrast aneinander. Die Stimmung schwankt zwischen Unglück und Trauer, die zu Siegesfreude führt.144
144 Silbermann 1986, S. 268.
Cooke geht sogar soweit, die Gesamtkonstruktion des Werkes als »schizophren« zu bezeichnen, da die Stimmungen einerseits kontrastieren, andererseits in einer groß angelegten sinfonischen Form vereint werden.145
145 Cooke 1988, S. 81.

Im ersten Satz in cis-Moll steht die Trauer im Mittelpunkt, welche die Hoffnungslosigkeit eines Leichenzuges begleitet. Der Satz beginnt mit einem Trompetenruf, der manchmal dumpf, ein anderes Mal grell ist wie eine Ankündigung, welche die einzelnen Abschnitte des Satzes miteinander verbindet, um am Ende in ein von der Flöte gespieltes Echo resignativ zu versinken. Das Motiv der Solotrompete ist dem ersten Satz der vierten Sinfonie entnommen. Der erste Satz der Fünften ist als symphonischer Marsch konzipiert und enthält zwei Trios. Wehklage und Tragik begegnen hier dem Hörer, der dann »mit größter Vehemenz« in den zweiten Satz (a-Moll, Mahlers »tragische Tonart«) eingeführt wird. Es entwickelt sich ein Kampf zwischen dem im ersten Teil des Satzes durchgeführten Themenmaterial und einer auf der Marschmelodie des ersten Satzes aufbauenden, langsamen tragischen Sequenz, die von den Violoncelli und Klarinetten getragen wird. Die Themen werden mehrfach kontrapunktisch gegenübergestellt, so daß der Kontrast zwischen dem »zornigen Begehren« und den bedrückenden Trauermarsch-Motiven kein Ende zu nehmen scheint: nichts soll unklar bleiben.146

146 Silbermann 1986, S. 269.
Nach einem letzten trotzigen Aufbegehren endet der Satz in einem dumpfen Nachhall auf der Pauke.147
147 Hans Renner/Klaus Schweizer: Reclams Konzertführer. Orchestermusik. Stuttgart 1985, S. 434.
Das Scherzo in D-Dur mit seinen zwei Trios stellt der trüben Stimmung der vorangegangenen zwei Sätze eine romantisch gefärbte innere Ausgeglichenheit gegenüber. Das Solohorn ist hier bezeichnend für Mahlers Vorliebe für das »Triviale« – das volksliedhaft Ländliche. So erscheint der gesamte Satz auch wie ein symphonischer Ländler aufmunternd und ungestüm, fast schon lärmend, an den Grenzen der Populärmelodik.148
148 Silbermann 1986, S. 270.
Das Adagietto in F-Dur stellt gegenüber den vorangegangenen Sätzen einen Augenblick absolut ruhevoller Besinnung dar. Starke Akzente werden vermieden. Die Instrumentation beschränkt sich auf Harfe und Streicher. Dagegen bringt das Rondo-Finale (D-Dur) in einer Reihe energischer Themen die befreiende Überwindung von Trauer und Resignation und reflektiert die wiedergewonnene Lebensfreude. Nach einer langen und unentschiedenen Einleitung tragen die Hörner das Hauptthema vor, welches zu einer fugierten Entwicklung führt. Die freie Rondo-Form enthält ein reiches Material an thematisch kontrapunktischer Erfindung und gipfelt in einer pompösen Schlußsteigerung.149
149 Renner/Schweizer 1985, S. 435.

Der vierte Satz in F-Dur ist mit dem Diminutiv »Adagietto« überschrieben als Kennzeichnung für einen langsamen Satz von kürzerer Dauer. Mahler, von dem man eigentlich lange Sätze gewohnt ist, hält den vierten Satz mit gerade einmal 103 Takten verhältnismäßig kurz. In vielen Konzertrepertoires der Gegenwart wird der Satz oft aus seinem ursprünglichen Kontext herausgenommen und als Einzelstück gespielt. Wenn man das Adagietto jedoch im gesamten Kontext des sinfonischen Satzgefüges hört, so erscheint es wie eine ruhige Insel inmitten eines »sinfonischen Sturmes« – ein absoluter Ruhepunkt im Gegensatz zu den »aufschreienden Blechinstrumenten« der ersten beiden Sätze. Bekker bezeichnet diesen Satz als ein »zartes


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