- 262 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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vieler verschiedener Stile, um seiner Intention, »eine Welt der Gefühle aufzubauen«, nachkommen zu können, verleitete die ersten Kritiker zu der Ansicht, er habe keinen eigenen Stil. Cooke hält jedoch dagegen, daß gerade die Vereinigung vieler verschiedener Stile in einem Werk, das eine Aussage haben soll, die Kunst Mahlers ausmacht. Jegliche Verurteilung nach klassischem Standard würde dem Zeitgeist der Epoche Mahlers zudem nicht gerecht werden, denn den klassisch gestrafften Werken Beethovens steht seine Musik wie eine Autobiographie gegenüber, in der sich Gefühl und Geist gegenüberstehen, die er in eine Harmonie zu bringen sucht: Einige Beispiele der verschiedenen Stile sind der österreichische Volksliedstil, angelehnt an Schubert und Bruckner, bezeichnend für Mahlers Freude an der Natur, weiterhin Wagners Melodik und chromatische Harmonik. Verzweiflung und Tod – fundamentale Gefühlszustände Mahlers, die jene Lebensfreude in seinen Werken regelmäßig überschatten – drückt er durch schräge Chromatik und groteske Orchestrierung aus. Der »Kampf gegen das Schicksal«, das entscheidend für die romantische Lebensauffassung war, äußert sich in seinen Werken durch hämmernde Rhythmik und das Marschtempo. Die Akzeptanz des Todes reflektiert er in Trauermärschen – der Tod als Niederlage – oder als ewiger Friede in spätromantischer »Sonnenuntergangsstimmung.«130
130 Cooke 1988, S.  13.
Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 5 cis-Moll, IV. Satz Adagietto

Die fünfte Sinfonie Mahlers markiert den Beginn einer »mittleren Schaffensperiode«, in der reine Instrumentalwerke entstanden. Seine ersten vier Sinfonien waren stark geprägt durch die Gedichtsammlung Des Knaben Wunderhorn. Ihre Integration in einzelne Sinfoniesätze offenbart die große Nähe zu den Inhalten der Texte und Mahlers Weltanschauung in persönlicher, psychologischer und religiöser Hinsicht.131

131 Stenger 1998, S. 32.
So war diese sinfonische Tetralogie besonders geprägt durch die Naturidee, christliche Symbolik (zweite) oder dionysischen Pantheismus (dritte). In all diesen Werken ist die Lyrik der Mahlerschen Lieder präsent. Die deutliche Programmatik der ersten Sinfonien ist mit Beginn der Fünften nicht mehr vorhanden, nur noch in subtiler Andeutung. Weder Chöre noch Soli werden dieses Mal bemüht. Obwohl die Sinfonie nach dem ersten Satz Nr. 5 in cis-Moll benannt wurde, sieht Mahler in dem zweiten Satz den Hauptsatz in a-Moll, ein Hinweis darauf, daß die Komposition dieses Werkes nicht chronologisch vonstatten ging, sondern Mahler bruchstückhaft im Zuge seiner Einfälle gearbeitet und die Sätze erst später in eine Gesamtkonzeption eingegliedert hat.132
132 Alphons Silbermann: Lübbes Mahler Lexikon. Bergisch Gladbach 1986, S. 266.

Rolland nennt die Fünfte ein »Gemisch von Strenge und Zusammenhanglosigkeit«133

133 R. Rolland, zit. n. Stenger 1998, S. 126.
. Formale Entschlossenheit in Form von konsequent durchgeführten polyphonen Abschnitten steht einer Unentschlossenheit gegenüber, die durch stilistische Neuorientierungen bedingt ist. Positiv gesehen, so Stenger, könne die Sinfonie als ein Werk des Übergangs verstanden werden. So nennt Bekker sie einen ersten Schritt Mahlers auf eine »Neugestaltung der Welt aus dem eigenen Ich.«134
134 Bekker 1969, S. 178.

Mahler beginnt die Komposition der fünften Sinfonie im Sommer 1901 während eines Ferienaufenthaltes in Maiernigg am Wörthersee, wo er sich von seiner anstrengenden Tätigkeit an der Wiener Hofoper erholt. Er vollendet die Sinfonie im Herbst 1902. Dem Werk vorausgegangen war die Komposition von vier Liedern auf Texte von Friedrich Rückert (»Blicke mir nicht in die Lieder!«, »Ich atmet’ einen


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