- 249 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (248)Nächste Seite (250) Letzte Seite (600)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

ist die Suche des Künstlers nach Vollendung und die Unmöglichkeit, je Vollendung zu finden; in dem Augenblick, in dem der Künstler zur Vollendung findet, erlischt er.«68
68 Luchino Visconti, ohne Quellenangaben, zit. n. Krusche 1996, S. 422.
Zugleich ist sein Tod stellvertretend für den Untergang einer ganzen Epoche. Mussorgskijs Schlaflied, das die russische Touristin wehmütig am Strand singt, ist bezeichnend für eine Gesellschaft, die müde ist und sich in einen Schlaf singt, aus dem sie nicht mehr aufwachen wird.69
69 Bernd Kiefer: »Tod in Venedig.« In: Koebner 1995b, S. 231.

11.1.3.  Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 5 cis-Moll, IV. Satz Adagietto

11.1.3.1 Der musikalische Kontext des Zitats

Die fünfte Sinfonie Gustav Mahlers (1860–1911) entstand in den Jahren 1901/02 und wurde unter Mahler im Jahre 1904 in Köln uraufgeführt. Sie ist zu der mittleren Schaffensperiode des Komponisten zu zählen. In dieser Zeit entstanden auch seine sechste und siebte Sinfonie.70

70 Alfred Stenger: Die Symphonien Gustav Mahlers. Eine musikalische Ambivalenz. Wilhelmshaven 1998, S. 126.
Charakteristisch für diese Periode ist Mahlers Abkehr von volksmusikalischen Elementen, ausgewiesener Programmatik und Liedmaterial in seinen Sinfonien. Stattdessen entstand ein Tryptichon reiner Instrumentalwerke.

In der Literatur wird Mahler gerne als der »größte Symphoniker des ausgehenden 19. Jahrhunderts« oder etwa als »der seltsamste aller modernen Musiker« dargestellt, um den sich ein transzendentaler Mythos rankt. Sicherlich auch eine Folge dessen, daß Mahler nach seinem Tod besonders in der Zeit des Nationalsozialismus sehr vernachlässigt wurde. Die Werke des jüdischen Komponisten galten gemeinhin als »entartet« und wurden nicht mehr aufgeführt. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg verhielten Dirigenten sich eher zurückhaltend dem Mahlerschen Repertoire gegenüber, was sicherlich auch auf den enormen Schwierigkeitsgrad und die überdimensionale Besetzung seiner Sinfonien zurückzuführen ist. Erst fünfzig Jahre nach seinem Tod kam ein Mahler-Boom ins Rollen. Seine Werke fanden wieder Eingang ins Repertoire renommierter Konzerthäuser, die Schallplattenindustrie nutzte die neue Popularität des Spätromantikers.71

71 Vgl. auch Kurt Blaukopf: »Hintergründe der Mahler-Renaissance.« In: Otto Kolleritsch (Hrsg.): Gustav Mahler. Sinfonie und Wirklichkeit. Graz 1977, S. 16–23.
Mahlers Frau Alma hat überliefert, Mahler habe des öfteren gesagt, seine Werke seien ein »Antizipando des kommenden Lebens«72
72 Gustav Mahler. Briefe 1879–1911, hrsg. von Alma Maria Mahler. Berlin/Wien u.a. 1924, S. XIII.
– seine Zeit werde kommen: »Auf Verständnis unter meinen ›Zunftgenossen‹ rechne ich schon lange nicht mehr. Ich fühle, daß diejenigen, welche mir einst folgen werden, nicht dort zu suchen sind, wo Musik und Ähnliches ›gemacht‹ wird. – Meine Musik ist ›gelebt‹, und wie sollen sich diejenigen zu ihr verhalten, die nicht ›leben‹, und zu denen nicht ein Luftzug dringt von dem Sturmflug unserer großen Zeit.«73
73 G. Mahler, Brief an Oskar Bie vom 3. April 1895 , zit. n. A. Mahler 1924, S. 170.
So sah er sich als »Zeitgenosse der Zukunft«. Er sollte recht behalten, denn während seine Kompositionen bei seinen Zeitgenossen oft Unverständnis und Ablehnung hervorriefen, sind sie heute populärer denn je. Berger führt dies auf die Tatsache zurück, daß Mahlers Musik stets Lebens- und Daseinsfragen zu Grunde liegen, die unser Jahrhundert antizipiert haben und so auch heute noch den Nerv der Zeit treffen.74
74 Frank Berger: Gustav Mahler. Vision und Mythos. Versuch einer geistigen Biographie. Stuttgart 1993, S. 15–16.

Erste Seite (i) Vorherige Seite (248)Nächste Seite (250) Letzte Seite (600)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 249 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik