- 239 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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– meist mit Personen, die den Tod verheißen. Wie in Doktor Faustus durchläuft der Teufel eine Reihe von Metamorphosen. Tritt er Aschenbach zunächst als geschminkter teuflisch grinsender Greis entgegen, so begegnet dieser ihm später in der Person des lachenden Straßenmusikanten auf der Terrasse des Hotels.
Todesmotiv

Das Motiv des Todes46

46 McKay 1982, S. 156.
und des Verfalls, das während des gesamten Films zunächst subtil vorhanden ist, aber spätestens seit der Begegnung Aschenbachs mit dem sterbenden Mann am Bahnhof ganz offensichtlich wird, erscheint in der Person des Gondoliere. Mann bezeichnete die Gondel in seiner Novelle bereits als Sarg: »Das seltsame Fahrzeug, [. . . ] so eigentümlich schwarz, wie sonst unter allen Dingen nur Särge sind, es erinnert noch mehr an [. . . ] den Tod selbst, an Bahre und düsteres Begängnis und letzte, schweigsame Fahrt.«47
47 Mann 1995b, S. 41–42.
Auch das kurze »Der Signore wird bezahlen!« des Gondoliere ist bereits eine Vorausdeutung auf das Ende. Der Tod begegnet Aschenbach ebenso in der Person des geschminkten Alten auf dem Schiff, seinerseits zugleich ein Symbol des Dämonischen und der Falschheit.

Im Hotel und in allen Rückblenden ist das Todesmotiv gleichermaßen präsent in Form einer Fülle von pastellfarbenen Blumen, die an Beerdigungen erinnern. Überhaupt ist die Farbsymbolik des Films eng mit der Todessymbolik verwoben.48

48 Rolf Günter Renner: Das Ich als ästhetische Konstruktion. Der Tod in Venedig und seine Beziehung zum Gesamtwerk Thomas Manns. Freiburg 1987, S. 145–146.
Weiß kontrastiert häufig mit dunklen Farben wie Blau oder Schwarz. Von auffälligem Weiß ist Aschenbachs Kleidung immer dann, wenn er sich in das unbekannte Venedig und damit in die Abgründe seiner eigenen Leidenschaft verliert. Weiß ist auch der Mantel des Friseurs, der ihn verjüngt. Auffällig weiß ist auch Tadzios Anzug, wenn er zum Dinner erscheint, nachdem Aschenbach sich seiner Gefühle gegenüber dem Jungen klargeworden ist. Damit, so Renner, ist es die Farbe der Verführung und der Unschuld, des Aufbruchs und des Todes zugleich. Es ist Hochzeits- und Sterbgewand und steht in deutlichem Kontrast zu dem schwarzen Abendanzug Aschenbachs, der die Uniform der bürgerlich-geistigen Gesittung ist, die Aschenbach bei seinem Scheitern als Musiker ebenso trägt wie bei den Hoteldinners und während des Auftritts der Straßenmusikanten. Auf diese Weise werden Schwarz und Weiß gleichermaßen in die Todessymbolik des Films eingebunden.
Motiv der entfliehenden Zeit

Die Szenen 4 und 5 erklären dem Zuschauer – der Exposition entsprechend – in Form der ersten Rückblende die Umstände, unter denen Aschenbach nach Venedig gekommen ist. Hier erscheint er als ein Mann, der seine Arbeit über die Gesundheit stellt und letztlich einen Schwächeanfall erleidet. Die Fahrt nach Venedig wird so zum Erholungsurlaub des Künstlers. In seinem Monolog über das Stundenglas deutet Visconti das Motiv der entfliehenden Zeit49

49 McKay 1982, S. 156.
an. Der Sand, der durch das Glas

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