hätte.8
8 Peter Bondanella: Italian Cinema. From Neorealism to the Present. New York 1995,
S. 209.
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Dies
bestätigt auch Viscontis ältester Kritiker Guido Aristarco: die Todesahnung, die Visconti
während seiner späteren Filme immer mehr selbst empfindet, wird zu einem zentralen Thema in
seinem Werk.9
9 Guido Aristarco: »Der späte Visconti zwischen Wagner und Mann.« Film und
Fernsehen 20 (1992) 23.
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Diese Frage wird noch näher zu erläutern sein. Neben Manns gleichnamiger Novelle
benutzte Visconti zahlreiche andere Quellen, die besonders in Hinsicht auf die
Erläuterung der These von Bedeutung sind: Manns Doktor Faustus und Tonio Kröger
sowie die Biographie Gustav Mahlers. Obwohl der Film Tod in Venedig auch ohne
Kenntnis der zahlreichen literarischen Quellen rezipiert werden kann, ist dies jedoch
nicht das Anliegen Viscontis. Seine Absicht liegt eher darin, mit dem Film eine Art
Äquivalent zu dem literarischen Klassiker zu schaffen und ihn darüber hinaus dem
Gesamtwerk Thomas Manns zuzuordnen. Die Kenntnis der literarischen Vorlagen
ist daher nicht nur entscheidend für das Verständnis des Films, sondern sie
ermöglicht es dem Zuschauer ebenso, die nicht zu unterschätzenden Abweichungen
Viscontis von den literarischen Vorlagen zu erkennen und den Film als ein von
der Vorlage beeinflußtes wie auch autonomes Werk bei seiner Beurteilung zu
behandeln.
Die individuelle programmatische Handschrift Viscontis macht jeden seiner
Filme zu einem Autorenfilm. Die Kamera wird in Analogie zur Literatur zum
»Federhalter«10
10 Alexandre Astruc 1948, zit. n. Johannes von Moltke: »Autorenfilm.« In: Rainer Rother
(Hrsg.): Sachlexikon Film. Reinbek 1997, S. 25.
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des Regisseurs. Seine Persönlichkeit manifestiert sich sowohl in den Thematiken als
auch der Mise-en-scène seines Werkes, dessen besonderes Merkmal jene von
Konventionen abweichende Ästhetik ist. Ähnlich wie bei Wajda oder Malle verlangen
auch seine Filme die geschärfte Aufmerksamkeit des Zuschauers gegenüber den
Figuren. Damit sind seine Filme auch keinem Genre zuzuordnen, das als zuweilen
stereotypes Erzählkino in traditionell polemischer Abgrenzung dem Autorenkino
gegenübersteht.
11.1.2. Inhalt und Dramaturgie
Das Jahr 1911: Gustav von Aschenbach (Dirk Bogarde), deutscher Komponist und Dirigent in
mittleren Jahren, sitzt alleine auf dem Deck eines Dampfschiffes nach Venedig. Nach einem
künstlerischen Mißerfolg erschöpft und krank, hofft er auf Erholung in der Lagunenstadt. Noch
an Deck des Schiffes wird er von einem alternden, »auf jung« geschminkten Italiener belästigt.
In Venedig angekommen, findet er sich einem Gondoliere ausgeliefert, der ihn statt zur
Anlegestelle der Motorboote direkt zum Lido rudert, ohne Aschenbachs Einwände zu beachten.
Im Lido-Hotel Des Bains ist das beste Zimmer für ihn reserviert. Im Salon beobachtet
Aschenbach kurz nach seiner Ankunft die anderen Gäste: Engländer, Russen und Amerikaner.
Vor allem eine polnische Familie erregt seine Aufmerksamkeit, bestehend aus der Mutter
(Silvana Mangano), einer Gouvernante, drei Töchtern – und einem etwa 15-jährigen
blonden Jungen, Tadzio (Björn Andresen). Aschenbach ist hingerissen von der für
ihn vollkommenen Schönheit des Jungen. Je öfter er ihn zu sehen bekommt, desto
faszinierter ist er von ihm. In imaginären Gesprächen mit seinem ehemaligen Schüler
Alfried (Mark Burns), die Visconti als Rückblenden in den Film einstreut, versucht
Aschenbach, die Sympathie des Künstlers für das Schöne zu erklären. Für ihn ist
Schönheit ein »geistiger Akt«, das Ergebnis von Arbeit, jenseits
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