- 212 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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weitergeführt wird. Als solche ist die Musik ein treibender Faktor in der Dramaturgie, die ihrerseits durch ihre psychologische Feinheit nicht in die musikalische Semantik einzugreifen vermag.

10.2.  Jonathan Demme: Das Schweigen der Lämmer

Kaum zu glauben, daß Bergmans konfliktüberladenes psychologisches Kammerspiel Herbstsonate irgend etwas mit Jonathan Demmes Thriller Das Schweigen der Lämmer (USA 1991) gemein haben sollte. Doch auch hier geht es um die Abgründe der menschlichen Psyche – und dies in ihrer extremsten Form.

Bei der Jagd nach dem Serienkiller »Buffalo Bill«, der seine stets weiblichen Opfer zu enthäuten pflegt, wagt FBI-Agent Jack Crawford (Scott Glenn) ein Experiment: Er setzt die junge, intelligente FBI-Anwärterin Clarice Starling (Jodie Foster) auf den Serienmörder Dr. Hannibal Lecter (Anthony Hopkins) an, der im Gefängnis in einem Hochsicherheitstrakt einsitzt. »Hannibal the Cannibal«, so wird er genannt, denn der ehemals brillante wie bekannte Psychiater wurde zum hemmungslosen Massenmörder, der seine Opfer aufgegessen hat. Er gilt als gemeingefährlich, zugleich hat er einen scharfen Verstand, ist hochintelligent. Als Psychiater versteht er die Menschen genau zu analysieren. Crawford hofft, dem noch unbekannten perversen Serienmörder durch Lecters Hilfe auf die Spur zu kommen. Möglicherweise gibt es Parallelen in den Psychen der beiden Täter. Lecter, der sich bisher stets geweigert hat, der Polizei in diesem Fall zu helfen, schließt mit Starling eine Art »Tauschgeschäft« ab. »Quid pro Quo«: für jeden Hinweis auf Buffalo Bill muß sie ihm eine Geschichte über sich selbst erzählen. So erfährt Lecter etwas über ihren Vater, der ihr stets als Vorbild diente, und dessen Tod. Schließlich schildert Clarice ihm ein Kindheitstrauma: als Kind konnte sie die Schlachtung ihres geliebten Lammes nicht verhindern. Noch heute hört sie die Schreie der Lämmer in ihren Träumen. Die Gespräche zwischen Lecter und Clarice geraten zu einem Duell, das mit allen erdenklichen psychologischen Raffinessen geführt wird. Als die Tochter einer einflußreichen Senatorin in die Gewalt Buffalo Bills gerät, kann Lecter durch sein Versprechen auf Hilfe bessere Haftbedingungen für sich erreichen. Er wird in ein provisorisches Gefängnis verlegt, aus dem ihm die Flucht gelingt. Zuvor gab er Starling als Gegenleistung für die Geschichte über ihr Kindheitstrauma den entscheidenden Hinweis: Buffalo Bill macht sich aus der Haut seiner Opfer eine zweite, weibliche Haut – Frauenkleider. In einem einsamen Haus kommt Clarice dem Mörder schließlich auf die Spur. In einem spektakulären dramatischen Showdown kann sie Buffalo Bill unschädlich machen und sein letztes Opfer befreien. Kurze Zeit später erreicht Clarice während der Ernennungsfeierlichkeiten der FBI-Sonderagenten ein Anruf Lecters. Er ist noch immer auf freiem Fuß und versichert ihr, sie niemals aufzusuchen. Mit der süffisanten Anspielung auf ein »Festessen mit einem alten Freund« legt er schließlich den Hörer auf und folgt durch die Menschenmenge langsam seinem alten Intimfeind, dem Gefängnisdirektor Dr. Chilton.

Lange war man sich nicht einig, worin die wahre Bedeutung dieses Films liegt. In den ersten Kritiken sprechen Autoren von einem »mechanischen Kino der Grausamkeit«19

19 Andreas Kilb 1991, zit. n. Werner Faulstich: »Der neue Thriller: The Silence of the Lambs. (Das Schweigen der Lämmer, 1991).« In: Werner Faulstich/Helmut Korte (Hrsg.): Fischer Filmgeschichte, Bd. 5: Massenware und Kunst 1977–1995. Frankfurt am Main 1995, S. 270.
, einer »dürftigen Krimiplotte«, »besonders widerlich dekoriert« und »mit zahllosen blutigen Fleischfetzen behängt«20
20 Günther Jurczyk 1991, zit. n. Faulstich 1995, S. 270.
. In einer sachlich strukturierten

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