- 2 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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Regisseure. Bei der Filmauswahl wurde auf zeitliche Kontinuität geachtet. Schmidt setzt die in seiner These geschilderte Entwicklung der Filmmusikgeschichte etwa ab Mitte der sechziger Jahre an. Die zeitliche Auswahl der Filme folgte daher zunächst der Frage, ob die These für einen großzügiger gefaßten Zeitraum Gültigkeit beanspruchen kann. So setzt die Musikanalyse ein mit dem polnischen Film Asche und Diamant aus dem Jahre 1958 und endet im Jahre 1996 mit Anthony Minghellas Der Englische Patient. Dazwischen liegt eine Auswahl populärer wie auch eher unbekannter Filme namhafter Regisseure. Filmautoren wie Luchino Visconti, Stanley Kubrick, Louis Malle oder Ingmar Bergman sind bekannt für ihren sensiblen Umgang mit Filmmusik. Dabei räumen sie autonomen Werken regelmäßig einen respektablen Platz in den Dramaturgien ihrer Filme ein. Es versteht sich von selbst, daß man mindestens einen ihrer Filme in der Auswahl wiederfindet.

Welche Musik wird nun in den Filmen zitiert? Es handelt sich hauptsächlich um Werke des 18. und 19. Jahrhunderts. So finden u.a. Kompositionen von Johann Sebastian Bach, Gustav Mahler, Vincenzo Bellini, Camille Saint-Saëns und Richard Wagner ihre dramaturgische Verwendung in den Filmbeispielen. Dabei reicht die Bandbreite der musikalischen Gattungen von kurzen Charakterstücken für Klavier über Sonate und Streichquartett bis hin zur spätromantischen Sinfonie. Oper und Operette reihen sich hier ebenso ein. Mit Klavierwerken von Beethoven, Schubert und Chopin liegt der Tenor im wesentlichen auf dem 19. Jahrhundert. Die Filmauswahl umfaßt Zitate in ihrer wörtlichen Form, soll heißen: Partitur und Instrumentation werden dem Original getreu überwiegend in Themenausschnitten zitiert. Meist handelt es sich um gängige Tonträgeraufnahmen, die auf dem freien Musikmarkt zugänglich sind. Es sind lediglich neun Ausnahmen, bei denen die Originalversion des Zitates gegen eine instrumentale Bearbeitung ausgetauscht wurde. So taucht beispielsweise Chopins Polonaise A-Dur op. 40 Nr. 1 in Andrzej Wajdas Asche und Diamant als Orchestervariante auf. In dem Film Mein Vater, mein Herr präsentieren Paolo und Vittorio Taviani den Fledermaus-Walzer von Johann Strauß in einer befremdlichen Akkordeon-Version. Besonders grotesk muten die elektronischen Synthesizer-Bearbeitungen der neunten Sinfonie Beethovens in Stanley Kubricks Uhrwerk Orange an.

Der Terminus der »autonomen Musik« wird in Kapitel 5 eingehend erläutert. Er soll in dieser Arbeit für die Bezeichnung der Zitate in Ausgrenzung anderer Begriffe wie »ernste« oder »klassische« Musik stets verwendet werden. »Ernste« oder schlichtweg E-Musik im Sinne von »kulturell wertvoller« Musik in Unterscheidung von U-Musik ist eine Bezeichnung, die seit Beginn des 20. Jahrhunderts spezielle Bedeutung durch die grundsätzlich höhere Bewertung der E-Musik im Verteilungsplan der Verwertungsgesellschaften wie beispielsweise der GEMA erlangt hat. Insofern handelt es sich um einen urheberrechtlichen Begriff, der wirtschaftlich vorbelastet ist – als solcher ungeeignet für unsere Fragestellung. Aus diesem Grunde wird auch der Begriff der »klassischen« Musik außen vorgelassen. Für jeden Musikliebhaber zwar auf Anhieb verständlich, dient er heute in Übereinstimmung mit dem Branchenjargon der Musikindustrie ebenso der Kennzeichnung einer wirtschaftlichen Zweiteilung in E- und U-Musik. »Klassische« Musik als stilistische und musikhistorische Charakterisierung in Analogie etwa zur »Weimarer Klassik« ist aufgrund der Epochenvielfalt der ausgewählten Werke ebenso ungeeignet.


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