Einleitung
Die Verwendung von Titelwarenzeichen ist ein barbarischer
Unfug, wenn auch zugegeben werden muß, daß das Vertrauen
auf die ewige Bildkraft von Brautchor und Trauermarsch
gegenüber den ad hoc angefertigten Originalpartituren
manchmal etwas Versöhnliches hat.
(Theodor W. Adorno, 1969)
Es ist nicht besonders sinnvoll, einen Komponisten zu
beauftragen, der – ganz gleich wie gut er ist – nicht an Mozart
oder Beethoven heranreichen kann.
(Stanley Kubrick, 1972)
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»Charlies Festung« versinkt in Coppolas Apocalypse Now im Pulverdampf zum frohen
Sechsachteltakt von Wagners »Walkürenritt«. Penderecki begleitet Regans besessene
Teufelsmutation in Friedkins Exorzisten. Bachs Goldberg-Variationen regen in Jonathan
Demmes Das Schweigen der Lämmer die Mordlust des Kannibalen Lecter wie
gleichermaßen seinen Appetit an. Nur einige Beispiele der immensen Vielfalt
an Zitaten autonomer Musik im fiktionalen Film. Wer hat als Kinozuschauer
nicht schon einmal jenes »Aha-Erlebnis« gehabt, wenn man in der Filmmusik
ein Werk von Bach, Beethoven oder Mozart wiedererkennt? Doch die Geister
scheiden sich: während Regisseure wie Kubrick, Malle oder Scorsese darin eine
dramaturgische Bereicherung sehen, werfen Kritiker ihnen Sparmaßnahmen auf Kosten
der Filmmusik vor - ist es doch billiger, eine CD als Filmmusik einzuspielen
als einen Filmkomponisten nebst hundertköpfigem Orchester zu beauftragen.
Bleibt die Frage: Bereichert autonome Musik den Film tatsächlich in irgendeiner
Form? Wenn ja, in welcher Hinsicht? Und darüber hinaus: hat ein Zitat »seinen
Ruf weg«, seinen »Stempel«, wenn es erst einmal in einem Film verwendet
wurde?
Diese Fragen beantwortet Hans-Christian Schmidt in seinem Aufsatz »›Spiel mir das
Lied. . . ‹, ein Überblick zur Geschichte der Filmmusik« (Universitas 4 [1988] 407–421).
Seine These: Ein Zitat hat die Eigenschaft, den gesamten inhaltlichen Kontext, aus dem
es stammt, augenblicklich mitzutransportieren. Ihm haftet damit eine präzise
Verweiskraft an, eine Funktion, welche die filmische Dramaturgie um eine Aussage
bereichert. Schmidt nennt dies die »Tendenz zur semantischen Beschriftung.« Die
Kehrseite: das Zitat erhalte, so Schmidt, durch den Film seinerseits eine neue
semantische Dimension.
Diese These bildet im Rahmen dieser Arbeit den Ausgangspunkt und soll in einer
funktionalen Filmmusikanalyse an einer Auswahl von 22 europäischen und
amerikanischen Filmen des Autoren- und Erzählkinos be- oder widerlegt werden, in
denen autonome Musik zitiert wird. Roman Polanski, Louis Malle, Luchino Visconti,
Stanley Kubrick oder Francis Ford Coppola sind nur einige Beispiele der behandelten
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