- 19 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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Zusammenhang, den ich wegen seiner Zufälligkeit und Unbestimmbarkeit als vollendet empfand. Ich habe nie eine passendere Begleitmusik gehört.«23
23 Kracauer 1996, S. 191.

1.4.  Zofia Lissa: Ästhetik der Filmmusik

Kracauers Theorie – je realistischer eine Konzeption durch die von ihm oftmals gepriesene »Zufallsmusik« im Film oder durch den Pianisten selbst ist, desto weniger bedürfe die Leinwand klanglicher Verpackung, stellt Zofia Lissa einen Entwurf entgegen, der das genaue Gegenteil besagt: »Aus seinem Dornröschenschlaf küßt die Musik den Film zum Leben.«24

24 Motte-Haber/Emons 1980, S. 15.
In ihrer Ästhetik der Filmmusik aus dem Jahre 196525
25 Zofia Lissa. Ästhetik der Filmmusik. Berlin 1965.
(deutsche Übersetzung, das polnische Original erschien ein Jahr zuvor) stellt Lissa die These auf, daß der Film erst durch Musik an Realität gewinne. Die Verbindung von Film und Musik sei nicht unnatürlich, sie bildet sogar eine dialektische Einheit. Im Stummfilm sei diese Natürlichkeit besonders anschaulich. Hier mußte die Stille, die normalerweise mit Bewegungslosigkeit verbunden ist, durch Musik kompensiert werden. Lissa begründet diese natürliche Verbindung mit der Vorgängern des Films, nämlich dem Tanz und der Oper. Bewegungen und Handlungen zur Musik im Tanz oder in der Oper ließen von Anfang an Musik als etwas Gewohntes erscheinen, das seinerseits Vorgabe für den Tonfilm wurde. Für de la Motte-Haber ist diese in der Wahrnehmung des Zuschauers begründete natürliche Verbindung zwischen Film und Musik nicht nachvollziehbar, da sachlich falsch. Sie sieht in der »Natürlichkeit« der Verbindung von Film und Musik lediglich eine stützende Theorie, auf der die Idee einer Steigerung des Films zur Realität aufgebaut wird. Hier sieht Lissa den Widerspruch zwischen filmischer und musikalischer Realität: filmische »Realität« äußert sich in fotografierten imaginären Bildern, die auf Rekonstruktion beruhen, die Musik aber ist kein abgebildeter Klang, sie ist besonders zur Zeit des Stummfilms real im Kino gegeben. Andererseits, so Lissa, gewinnt Musik durch den Film an Realität, indem es durch das Zusammenwirken mit dem Bild möglich wird, konkrete Inhalte durch Musik zu unterstreichen. Dadurch kommt ihr eine realistisch abbildende Funktion zu. Hier setzt Motte-Habers Kritik an dem Realismusbegriff an, den Lissa in ihren ästhetischen Anschauungen sichtbar werden läßt, denn ihrer Meinung nach messe Lissa den Realismus an der Möglichkeit zur Konkretion – eine Auffassung, die ästhetischen Anschauungen der fünfziger Jahre entspreche und nicht mehr zeitgemäß sei.26
26 Motte-Haber/Emons 1980, S. 15–16.

1.5.  Zeitgenössische Autoren

1.5.1.  Norbert Jürgen Schneider: Handbuch Filmmusik

Norbert Jürgen Schneider leitet seine »Reflexionen über ›Filmmusik‹« sogleich mit der ernüchternden Erkenntnis ein, daß der Ausdruck »Filmmusik« weder eine musikalische Gattung noch einen Stil bezeichne und sich damit dem Versuch einer sinnhaltigen


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