wird, driftet im profanen New Yorker Alltag
vorbei. Lediglich angedeutet wird allein die Krise des religiösen Bewußtsein: »Is God
Dead?« fragt das Titelblatt des Time-Magazins. Nein, die Woodhouses führen in ihrem
alten Bramford-Haus ein geradezu verstörend bürgerliches Dasein: Möbel und Kleider
wie es sich gehört, sie Hausfrau und werdende Mutter, er Ernährer und Tyrann in einer
Person – eine klassisch bürgerliche Konstellation des 19. Jahrhunderts, in die sich das
Salonstück Für Elise nahtlos einfügt. Eine »besondere Party« wünscht sich Rosemarie
denn auch als verzweifeltes Aufbegehren gegen die aufdringliche Umarmung der
Castavets – »nur für Leute unter 60«; Rosemaries Umgang im Bramford-Haus
entspricht nicht gerade dem Klischeebild des Künstlerhaushaltes Mitte der sechziger
Jahre.
Doch mit zunehmender Handlungsdichte tritt die subjektiv-psychologische Realität
Rosemaries ins Spiel, damit einhergehend die psychologische Funktion der Musik. Aus
zahlreichen, meist unauffälligen Details, aber auch aus einzelnen Schockmomenten
entsteht langsam das Muster eines Verdachts, der die behagliche Banalität dieses Lebens
als Trug entlarvt. Aus der Perspektive des Zuschauers bleibt Rosemarie viel zu lange in
ihrer naiven Arglosigkeit befangen. Für Elise mutiert parallel zum dichter werdenden
Handlungsgewebe zu einem kommentierenden Kontrapunkt, der die heile Fassade
der hier charakterisierten Gesellschaft bröckeln und Rosemaries zunehmend
auswegloser erscheinen läßt. Eine Entwicklung, die Polanski auch durch seine
Kameraführung aufzeichnet. Die Kadrierung der Einstellungen folgt einer Strategie, die
dem natürlichen Blick und dem Realismus der Details auffallend zuwiderläuft.
Dem Illusionismus entspräche die Kameraeinstellung in Augenhöhe. Polanski
aber wählt in der Regel leichte Auf- und Untersichten, kippt, was durch die
Weitwinkelperspektive noch verstärkt wird, die Raumachse aus der Horizontalen und
verleiht damit den Räumen eine irritierende Instabilität. Zudem erfaßt die Kamera die
Figuren oft so nah, daß sie zu körperlosen Teilsilhouetten reduziert werden –
dieser Blick läßt sich keinem menschlichen Auge zuordnen. Damit erhält die
Vertrautheit des Sichtbaren von Anfang an ein Moment der Zweideutigkeit, die
Wahrnehmung findet keinen eindeutigen Fokus. Diese Verstörtheit, so Kinder und
Houston83
83 Marsha Kinder/Beverle Houston: Close Up. A Critical Perspective on Film. New
York/Chicago u.a. 1972, S. 306–313.
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vollzieht sich auch auf der Farbenebene: Minnies grelle Aufmachung will zu
der schlichten von Rosemarie genausowenig passen wie die lichten Farben der
Woodhouse-Wohnung zu den Burgunder- und Brauntönen bei den Castavets. Diese
omnipräsente visuelle Disharmonie entspricht der Verstörung der Alltagsvernunft.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß Minnies nervtötende Geschwätzigkeit und
ihr grelles Aussehen eine bei den Aristokraten des 19. Jahrhunderts verbreitete Meinung
zu bestätigen scheint, nach der das Böse vor allem eine extreme Form des Vulgären
ist.84
Während sich auf der visuellen Ebene die Wirklichkeit also bedrückend real ins Bild
setzt – die Story bekommt hier physische Qualität – kommt mit der Musik – gleich
einem doppelten Boden – die psychische Qualität ins Spiel, die Andeutung und
Entwicklung seelischer Grundbefindlichkeiten. Damit folgt der Film einer Art
»semisubjektiven Erzählperspektive« (Visarius), die sich mit dem Erfahrungsraum
Rosemaries deckt, wenn auch nicht mit ihrer Wahrnehmungsperspektive. Ihre subjektive
Realität bildet deshalb für den Zuschauer besonders in
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