war ein Statussymbol: das Repräsentations- und Empfangszimmer,
die Stätte der Begegnung mit der Außenwelt. Doch in solch hingebungsvoller
Dekoration steckten Ängste und Ausblendung. Salonmusik wurde um die Mitte des
19. Jahrhunderts zu einem »Sanktionierten Schutzgebiet von Irrationalität«
(Adorno). Indem man in solch überladener Atmosphäre Salonstücke spielte,
glaubte man doch, ein höheres Niveau zu erreichen. Damit hatte Salonmusik
die Aufgabe, die gute Stube in den Rang eines adeligen Salons zu erheben. In
seinem Buch Die Musik des 19. Jahrhunderts und ihre Pflege schreibt Adolf
Bernhard Marx: »Dazu noch die Hausmusik. Kaum darf man noch fragen: wer
ist musikalisch? sondern: wer ist es nicht? In den sogenannten höhern oder
gebildetern [sic] Kreisen galt Musik längst als unerläßlicher Theil der Bildung;
jede Familie forderte ihn, [. . . ] bis in die Kreise des Kleinhandels und Gewerks
hinein wird der endlos drängenden Arbeitsnoth Zeit, knappem Erwerb Geld
abgelistet und abgerungen, um wenigstens für die Töchter Klavier, Noten, Lehrer,
Musikbildung zu erbeuten, vor allem in der Hoffnung, damit zu den ›Gebildeten‹ zu
zählen.«65
65 Adolf Bernhard Marx 1855, zit. n. Hildebrandt 1985, S. 254–255; vgl. auch Fellerer
1984, S. 17.
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Mit dieser sozialen Schere bekam der Begriff der Salonmusik im Laufe des 19. Jahrhundert
zunehmend eine abschätzige Note, die ihm übrigens bis heute haftengeblieben ist:
Salonmusik wurde nun als Inbegriff schlechter Musik angeprangert, als »kunstunwürdiges
Zeug« (Lobe), »triviales Tongeklingel« (Riemann), letztlich gesunkenes Kulturgut. Die
Musikwissenschaft geht mit solcher Art Musik hart ins Gericht. Sie ist, so Eggebrecht,
das deutlichste Zeugnis für das sozialgeschichtlich bedingte Aufkommen der Trivialmusik
im 19. Jahrhundert, die in Befriedigung eines Massenbedürfnisses als Ware
entsteht und konsumiert wird und die sich »in der erfolgreichsten Erfüllung
ihrer Aufgabe durch Qualitätslosigkeit und Vergessenwerden auszuzeichnen
vermag.«66
66 Vgl. auch Carl Dahlhaus (Hrsg.): Studien zur Trivialmusik des 19. Jahrhunderts.
Regensburg 1967, darin besonders: Hans Christoph Worbs: »Salonmusik«, S. 121–130;
Dahlhaus 1980, S. 261–269.
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Auch Heine karikierte sie in verächtlichen Tönen: »Jenes Pianoforte [. . . ], das man in
allen Häusern erklingen hört, in jeder Gesellschaft, Tag und Nacht [. . . ] (Ach! meine
Wandnachbarinnen [. . . ] spielen in diesem Augenblick ein brillantes Morceau für zwei linke
Hände).«67
67 Heinrich Heine 1843, zit. n. Eggebrecht 1992, S. 86.
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Das Klavier wird, so beschreibt Hildebrandt metaphorisch, zum »tyrannischen
Besatzer«, der ein strenges Regiment führt, ein lautes Kommando. Er
»terrorisiert« ganze Städte, macht in vielen Straßen das Wohnen zur Plage.
Über Zehntausende Kinder hat er ans Klavier geschmiedet, für die höhere
Tochter wird er zum unerbittlichen Aufpasser. Manche Jugend hat er
vereitelt.68
Und wieder ein Vierteljahrhundert später erbost sich der Kritiker Eduard Hanslick
über die »gemeine, schädliche und gemeinschädliche Klavierspielerei«, über die
»Klavierseuche«.69
69 Eduard Hanslick 1900, zit. n. Hildebrandt 1985, S. 11.
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In der Tat hatte die Musik im bürgerlichen Milieu nicht nur eine affektive Funktion – sie
sollte Emotionen freilegen – sondern auch eine soziale Bedeutung: sie sollte den Stand
des Bildungsbürgertums darstellen. Zudem hatte sie einen Freizeitwert: in heutiger
Terminologie war sie Unterhaltung, eine einfache Musik, die das Bürgertum kultivierte.
Damit drückte
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