Der Begriff »Salonmusik« läßt sich nicht in wenigen Worten
definieren.44
44 Vgl. hierzu die umfassenden Ausführungen von Ballstaedt/Widmaier 1989,
S. 14–24.
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Aus diesem Grunde sollen hier lediglich einige gemeinsame Merkmale von Salonstücken
des 19. Jahrhunderts aufgeführt werden, über die in Quellentexten weitgehend Einigkeit
herrscht. Der Begriff wurde etwa Mitte der 1830er Jahre durch Robert Schumann
geprägt. Wie der Terminus bereits andeutet, so formulieren es Ballstaedt und Widmaier,
bezeichnet Salonmusik sowohl eine musikalische Praxis, die an einen bestimmten
Raum und einen spezifischen geselligen Kontext gebunden ist – »Musik im
Salon« – als auch eine speziell für diesen Rahmen komponierte und auf dem
Musikalienmarkt angebotene Gattung von Tonstückchen im Sinne von »Musik für den
Salon«.45
45 Ballstaedt/Widmaier 1989, S. 15.
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Der Salon als architektonischer Ort wie auch die dort stattfindenden Geselligkeiten
bildeten also die Grundlage der Salonmusik. Ausgehend von der virtuosen Salonmusik
Frankreichs verflachte sie seit Mitte des 19. Jahrhunderts ins Breit-Bürgerliche. Die
Trägerschicht bildete dabei – neben dem aufsteigenden Kleinbürgertum – vornehmlich
das Besitz- und Bildungsbürgertum. Dazu gehörte die Schicht der Ärzte und
Akademiker, aber auch die der Kaufleute, Beamten und Künstler.
Die Entwicklung der Salonmusik ist untrennbar verbunden mit einer wachsenden
Popularität des Klaviers. Es wurde zum schlechthin bedeutsamsten Saloninstrument,
zum zentralen Möbel des bürgerlichen Salons. Aus diesem Grund handelt es sich bei der
Salonmusik vorwiegend um Unterhaltungsmusik für das Klavier, die »neben dem Tee,
Punsch, Wein [. . . ] von der schönen Welt ganz gemütlich so wie jenes eingenommen
wird«.46
46 Johannes Kreisler: »Johannes Kreisler’s, des Kapellmeisters, musikalische Leiden.«
Allgemeine Musikalische Zeitung (26. 09. 1810) 826.
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Das Klavier wurde somit zum »gesellschaftsfähigen« Instrument. Wie kein
anderes Instrument war es eine Art »autonom individuelles Universalgerät« und
entsprach den Bedürfnissen einer musikgierigen Gesellschaft. Das bedeutete, daß ein
Spieler allein sich behaupten, aber auch sich blamieren, brillieren oder langweilen
konnte.47
47 Dieter Hildebrandt: Pianoforte oder Der Roman des Klaviers im 19. Jahrhundert.
München/Wien 1985, S. 26.
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Im Jahre 1825 mokiert sich Charles Sealsfield über die Wiener Verhältnisse: »Straßauf
straßab hört man nur Musik. In jedem Bürgerhaus ist denn auch das Klavier
das erste, was man erblickt. Kaum hat der Gast Platz genommen und sich an
gewässertem Wein und Preßburger Zwieback erquickt, so wird das Fräulein Karoline
oder wie es sonst heißen mag, von den Eltern aufgefordert, dem Gast etwas
vorzuspielen.«48
48 Charles Sealsfield, zit. n. Grete Wehmeyer: Carl Czerny und die Einzelhaft am Klavier
oder Die Kunst der Fingerfertigkeit und die industrielle Arbeitsideologie. Kassel/Basel
u.a. 1983, S. 95–96.
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In
diesem Tenor äußert sich auch die Musikpädagogin Johanna Kinkel in einem
Briefessay: »Warum gerade die Musik eine so ausschließliche gesellschaftliche
Mode geworden ist, begreife ich nicht. Ein gebildetes Haus, in dem kein Klavier
stünde, gälte für eine Unmöglichkeit. [. . . ] Musikfreunde und Musikfeinde
werden gleich empfindlich durch den Anblick eines geöffneten Klaviers mit
zwei Lichtern darauf berührt, wenn sie einen Salon zur Erholung betreten.
Dieses Musizieren zwischen der Unterhaltung ist eine auflösende Säure für das
Gespräch.«49
49 Johanna Kinkel: »Musik als Mode (1852).« In: Eva Rieger (Hrsg.): Frau und Musik (=
Die Frau in der Gesellschaft. Frühe Texte, hrsg. von Gisela Brinker-Gabler). Frankfurt
am Main 1980, S. 48.
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