das
retardierende Element. Der Zuschauer mag für einen Moment glauben, alles gehe noch
gut aus. Rosemaries visionäre Vorstellung korrespondiert an dieser Stelle mit einer
»träumerischen« Variante der Titelmusik, die hier auch ähnlich retardiert, d.h.
rhythmisch verzögert erklingt. Die Melodie ist auf wenige Sekunden – auf eine
musikalische Geste – verkürzt, was jedoch angesichts der Tatsache, daß sie an dieser
Stelle bereits zum fünften Mal erklingt, nicht tragisch ist. Der Zuschauer kann die
Bedeutung mittlerweile zuordnen, es findet also kein Informationsverlust statt. Guy und
Dr. Sapirstein bringen Rosemarie gewaltsam nach Hause (Szene 61). Während der
Taxifahrt setzt die Titelmusik ein letztes Mal ein. Ihr Klang ist durch den Synthesizer
nun vollkommen verfremdet und verzerrt, fast schon klagend. Es handelt sich hier um
eine letzte musikalisch verfremdete Reminiszens an Rosemaries Traum vom Mutterglück,
der für sie nun endgültig dahinschwindet. Die Zerstörung des repräsentativen
Musikgestus des Originals, so Schmidt, ist also eine dramaturgisch logische
Konsequenz.34
Dafür spricht auch die Tatsache, daß die Melodie während Rosemaries Flucht zu ihrer
Wohnung in eine turbulente jammernd klingende Variation der visionären Musik
gleitend übergeht. Eingeleitet von einem instrumentalen »Aufschrei«, setzt
eine ähnlich turbulente Bewegung ein, als Rosemarie überwältigt und betäubt
wird.
Nachdem Rosemarie vom angeblichen Tod des Kindes erfahren hat, bleibt die Spannung dennoch erhalten. Da sie von irgendwoher ein Baby schreien hört, hegt sie Verdacht. Als sie durch den Wandschrank in die Wohnung der Castavets eindringt, ertönt eine weitere Variation der visionären Musik. Auf dem Höhepunkt der Handlung (Szene 67) betritt Rose das Wohnzimmer, in dem eine Festgesellschaft versammelt ist. Die Musik mündet in eine einstimmige Kontrabaßlinie, die langsam und stufenweise in eine extreme Tiefe absteigt. Für eine Spannungssteigerung, die oft einen aufwärts gerichteten Zug hat, ist dies ungewöhnlich. Doch kann es sich dabei um eine musikalische Entsprechung von Rosemaries Psychogramm handeln – ihre seelische Befindlichkeit nähert sich langsam aber sicher dem absoluten Tiefpunkt. In dem Moment, als die das Baby entdeckt, will sie einen Schrei ausstoßen. Doch statt des menschlichen Schreis kommt eine instrumentale Klage per gestopfter Trompete. Der »jammernde« Ausdruck wird vor allem durch das Tremolo und die Reibung der Halbtonschritte der melodischen Linie bewirkt. Der Wendepunkt tritt am Ende dieser Szene ein – Roman appelliert an Rosemaries Muttergefühle. Sie geht zur Wiege, schaut liebevoll hinein und beginnt sie langsam zu schaukeln. Damit hat sie ihr Kind akzeptiert. Der abschließende Panoramablick über das Bramford-Haus kommt – zusammen mit dem schnell folgenden Abspann – einer dramaturgischen Wende gleich, die jedoch keinen Abschluß findet, sie bricht mit dem Credit ab. Kritiker bemängeln oft dieses »unbefriedigende Ende«. Der Science Fiction-Schriftsteller und Drehbuchautor Ray Bradbury (Fahrenheit 451) war von dem Schluß dermaßen enttäuscht, daß er einen ausführlichen Vorschlag für ein neues Ende machte.35 Polanski meint hierzu: »Es hängt davon ab, was man mit seinem Film in bezug auf die Leute beabsichtigt. [. . . ] Wenn man möchte, daß die Leute nachdenken und sich über die Bedingungen Sorgen machen, muß man sie |