- 167 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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Zusammenhänge auf, denn sie steht – wie zu Anfang in der Traumsequenz – für die Veränderung psychischer und physischer Befindlichkeiten von Rosemarie. Wo immer also Varianten dieser visionären Musik erklingen, wird der Zuschauer zum Teilhaber von Rosemaries Psychogramm.32
32 Schmidt 1976b, S. 267.
Die Western- oder genauer gesagt klischeehafte Saloonmusik, die im Fernsehen erklingt, während Rosemarie mit einem erneuten Schmerzanfall im Bett liegt (Szene 36), ist als wirklichkeitsgetreuer Bestandteil amerikanischen Lebens der Kategorie des Slow Fox zuzuordnen.

Im weiteren dramaturgischen Verlauf verdichten sich die Ereignisse zu der unsicheren Ahnung, daß Guy mit dem Teufel einen Bund geschlossen hat. Die Gegenleistung: aus dem »Mr. Yamaha« wird nun ein gefragter Schauspieler, dem eine glanzvolle Karriere bevorsteht.33

33 Stefan Lux: »Rosemaries Baby.« In: Koebner, Thomas (Hrsg.): Filmklassiker, Bd. 3: 1965–1981. Stuttgart 1995, S. 136.
Mit seiner Billigung übernehmen die Castavets zunehmend die Kontrolle über Roses Alltag. Gleichzeitig verschlechtert sich deren Gesundheitszustand zusehends. Hutch, der in Gegenwart von Roman Castavet seinen Argwohn über Rosemaries Amulett geäußert hat, fällt plötzlich unvorhergesehen ins Koma – erneut erklingt das Schmerz-Motiv. Mysteriöse Vorfälle vor dem Hintergrund amerikanischen Lebens, das wie gewohnt seinen Lauf nimmt. Auf diese Weise enthüllt sich dem Zuschauer das Raffinement des Films, vorausgesetzt er ist bereit, sich ganz der Logik der Erzählung zu überlassen. Die süßliche Weihnachtsmusik, die während Rosemaries Stadtbummel mit all seinen New Yorker yellow cabs erklingt, ist ein Hinweis auf jene Alltäglichkeit. Sie drapiert ein Stück amerikanisches Leben, in dem auch Tanz- und Westernmusik im Fernsehen ihren verankerten Stellenwert haben, eine Wirklichkeit, wie sie im Amerika der sechziger Jahre auf Schritt und Tritt begegnet. Als »musikalisches Sozialdekor« ist sie damit weniger ein Handlungselement als vielmehr ein Element der Kulisse. Ähnlich wie in Szene 34 erklingt in Szene 41 – Rosemarie ißt rohe Leber – wieder das Schmerz-Motiv als Symbol des ganz offen-sichtlich Abnormen, dieses Mal pizzicato gespielt und extrem verhallt. Die Partymusik (Szene 44) gehört als letztes Element in die Riege amerikanischen Lebensdekors. Als solches ist sie dramaturgisch gesehen im Grunde oberflächlich.

Als Rosemarie Hutchs Hinweis auf das Silbenrätsel folgt und den Namen »Roman Castavet« als »Steven Marcato« entschlüsselt (Szene 49), verdichten sich ihre bösen Ahnungen. Dabei erscheint ein musikalischer Charakter der visionären Musik, der eng an die Vergewaltigungsszene angelehnt ist: ein ostinates Motiv in stark verhallten Frauenstimmen. Als sie das Ergebnis ihres Silbenrätsel sieht, ertönt ein schriller Flötenlaut. Die Spannungslinie steigt damit weiterhin an, Rosemarie hingegen wird zusehends der Gefahr gewahr, in der sie sich befindet. Dafür spricht der in immer kürzeren Abständen folgende Einsatz von Variationen der visionären Musik, so auch in den darauffolgenden Szenen 53 bis 58, darunter auch Variationen des Schmerz-Motivs. Die Handlung verdichtet sich immer mehr: Rosemarie befindet sich auf der Flucht vor den »Teufelsanbetern«, selbst Guy und Dr. Sapirstein verdächtigt sie nun.

Der kurze Traum vom gesunden, normalen Kind, den Rosemarie während ihres Besuchs bei Dr. Hill hat (Szene 60), bildet innerhalb der steigenden Spannungslinie


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