Zusammenhänge auf, denn sie steht –
wie zu Anfang in der Traumsequenz – für die Veränderung psychischer und
physischer Befindlichkeiten von Rosemarie. Wo immer also Varianten dieser
visionären Musik erklingen, wird der Zuschauer zum Teilhaber von Rosemaries
Psychogramm.32
32 Schmidt 1976b, S. 267.
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Die Western- oder genauer gesagt klischeehafte Saloonmusik, die im Fernsehen erklingt,
während Rosemarie mit einem erneuten Schmerzanfall im Bett liegt (Szene 36), ist als
wirklichkeitsgetreuer Bestandteil amerikanischen Lebens der Kategorie des Slow Fox
zuzuordnen.
Im weiteren dramaturgischen Verlauf verdichten sich die Ereignisse zu der unsicheren
Ahnung, daß Guy mit dem Teufel einen Bund geschlossen hat. Die Gegenleistung: aus
dem »Mr. Yamaha« wird nun ein gefragter Schauspieler, dem eine glanzvolle Karriere
bevorsteht.33
33 Stefan Lux: »Rosemaries Baby.« In: Koebner, Thomas (Hrsg.): Filmklassiker, Bd. 3:
1965–1981. Stuttgart 1995, S. 136.
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Mit seiner Billigung übernehmen die Castavets zunehmend die Kontrolle über Roses
Alltag. Gleichzeitig verschlechtert sich deren Gesundheitszustand zusehends. Hutch, der
in Gegenwart von Roman Castavet seinen Argwohn über Rosemaries Amulett
geäußert hat, fällt plötzlich unvorhergesehen ins Koma – erneut erklingt das
Schmerz-Motiv. Mysteriöse Vorfälle vor dem Hintergrund amerikanischen Lebens, das
wie gewohnt seinen Lauf nimmt. Auf diese Weise enthüllt sich dem Zuschauer
das Raffinement des Films, vorausgesetzt er ist bereit, sich ganz der Logik der
Erzählung zu überlassen. Die süßliche Weihnachtsmusik, die während Rosemaries
Stadtbummel mit all seinen New Yorker yellow cabs erklingt, ist ein Hinweis
auf jene Alltäglichkeit. Sie drapiert ein Stück amerikanisches Leben, in dem
auch Tanz- und Westernmusik im Fernsehen ihren verankerten Stellenwert
haben, eine Wirklichkeit, wie sie im Amerika der sechziger Jahre auf Schritt
und Tritt begegnet. Als »musikalisches Sozialdekor« ist sie damit weniger ein
Handlungselement als vielmehr ein Element der Kulisse. Ähnlich wie in Szene 34 erklingt
in Szene 41 – Rosemarie ißt rohe Leber – wieder das Schmerz-Motiv als Symbol
des ganz offen-sichtlich Abnormen, dieses Mal pizzicato gespielt und extrem
verhallt. Die Partymusik (Szene 44) gehört als letztes Element in die Riege
amerikanischen Lebensdekors. Als solches ist sie dramaturgisch gesehen im Grunde
oberflächlich.
Als Rosemarie Hutchs Hinweis auf das Silbenrätsel folgt und den Namen »Roman
Castavet« als »Steven Marcato« entschlüsselt (Szene 49), verdichten sich ihre bösen
Ahnungen. Dabei erscheint ein musikalischer Charakter der visionären Musik, der eng an
die Vergewaltigungsszene angelehnt ist: ein ostinates Motiv in stark verhallten
Frauenstimmen. Als sie das Ergebnis ihres Silbenrätsel sieht, ertönt ein schriller
Flötenlaut. Die Spannungslinie steigt damit weiterhin an, Rosemarie hingegen wird
zusehends der Gefahr gewahr, in der sie sich befindet. Dafür spricht der in immer
kürzeren Abständen folgende Einsatz von Variationen der visionären Musik, so auch in
den darauffolgenden Szenen 53 bis 58, darunter auch Variationen des Schmerz-Motivs.
Die Handlung verdichtet sich immer mehr: Rosemarie befindet sich auf der
Flucht vor den »Teufelsanbetern«, selbst Guy und Dr. Sapirstein verdächtigt sie
nun.
Der kurze Traum vom gesunden, normalen Kind, den Rosemarie während ihres
Besuchs bei Dr. Hill hat (Szene 60), bildet innerhalb der steigenden Spannungslinie
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