- 163 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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Abbildung 9.1: Die dramaturgische Anlage in Rosemaries Baby


Die Exposition (Szenen 1 bis 822

22 Vgl. Anhang C.2
) beginnt mit einem schweifenden Panoramablick über die Dächer von New York, der schließlich über dem »Bramford-Haus«, d.h. dem Dakota Building, endet. Komedas Titelmusik – als solche also tektonisch im Sinne von Maas – begleitet den weiten Kameraschwenk, ein Wiegenlied im 3/4-Takt, das von einer naiv und mädchenhaft wirkenden Frauenstimme gesungen wird – von Mia Farrow selbst. Es ist ein Singen an sich, nicht ein Singen von oder über etwas. Roman Polanski schreibt hierzu in seiner Autobiographie: »Komeda komponierte für Rosemaries Baby zwei Wiegenlieder, die beide so gut waren, daß wir uns lange nicht entscheiden konnten, welche der beiden Melodien wir als Leitmotiv nehmen sollten. Wir wählten die wahrscheinlich weniger kommerzielle, weil sie ganz einfach besser paßte. Gleich zu Beginn des Films mußte sie gesummt werden, leise, unheimlich, und ich bat Mia, dies zu tun, damit es dieselbe Stimme war wie später – ein wichtiger Faktor. Sie entledigte sich ihrer Aufgabe mit Bravour, und schon beim Vorspann ist ihre Stimme deutlich zu erkennen. Im übrigen hatte wieder einmal einer meiner Filme durch Komedas wunderbar imaginative Musik eine zusätzliche Dimension erhalten.«23
23 Polanski 1984, S. 238.

Wie bei den meisten Regisseuren sind auch Polanskis Aussagen zu der Musik sehr unkonkret. Die »zusätzliche Dimension« bleibt ohne Erklärung. Sehr viel aufschlußreicher sind hier hingegen die Ausführungen von Schmidt:24

24 Hans-Christian Schmidt: »Wesensmerkmale und dramaturgische Funktion der Musik in Roman Polanskis Film Rosemaries Baby.« In Schmidt 1976b, S. 250–275.
eine ausführliche musikalische Analyse des Themas eröffnet dem Hörer Perspektiven seiner emotionalen Erlebnisintensität. Auf die Analyse soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Hinsichtlich der Wirkung der Titelmusik ist jedoch seine Zusammenfassung hervorzuheben. Sie enthält bereits Hinweise auf die Funktion des Beethoven-Zitates: »Was [...] auf den ersten Höreindruck hin sich wie ein Produkt gängiger Unterhaltungsmusik darstellte, erweist sich bei näherem Hinsehen als eine liedhafte Gestalt mit subtilen emotionalen Reizen, von denen die modale Archaik, die mädchenhafte Stimme, die lastenden oder kreisenden Halbtonschritte und die Ausweitung des musikalischen Raumes die wichtigsten sind. Diese Titelmusik repräsentiert nicht nur eine heile Welt, sondern sie stellt vor allem eine heile Welt von gestern dar, eine archaische, eine Welt des verträumten und veralteten langsamen Walzers. Damit markiert die Titelmusik musikalisch, stilistisch und darüber hinaus repräsentativ eine der polaren Positionen, genauer: der polaren Grundbefindlichkeiten des Films.«25
25 Schmidt 1976b, S. 257.

Die Exposition stellt die für die Handlung wichtigen Personen vor: Rosemarie Woodhouse, eine etwas naive junge Frau, streng erzogen und auf Ehrlichkeit bedacht; gegenüber dem Hausverwalter berichtigt sie anstandslos Guys erlogene Angaben zu seinem Beruf. Dieser erscheint denn auch hier bereits als ein ehrgeiziger Fabulant, der anscheinend mit sich und seinem Beruf noch nicht so recht zufrieden ist. Darüber hinaus schafft Polanski gleich eine düstere Grundstimmung: das Appartement ist zwar groß, aber dunkel und noch immer überladen mit den antiken Möbeln der unter ominösen Umständen verstorbenen Vormieterin. Hutchs


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