Rosemaries Baby: »Ich bewunderte
seine [Levins] Kunst, ohne stilistische Tricks und Abschweifungen am Ball zu bleiben.
Doch hatte die Fabel auch einen Aspekt, der mich störte. Als Agnostiker glaubte ich
ebensowenig an Satan als die Verkörperung des Bösen wie an einen persönlichen
Gott; die ganze Idee stand im Widerspruch zu meiner rationalen Weltansicht. Der
Glaubwürdigkeit halber beschloß ich, eine Art ›Schlupfloch‹ einzubauen: die Möglichkeit,
daß Rosemaries übernatürliche Erlebnisse nichts weiter waren als Ausgeburten ihrer
Phantasie.«11
11 Polanski 1984, S. 224.
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Das Übel der Welt ist für Polanski vielmehr eine unbestreitbare Tatsache menschlicher Existenz,
ein dominanter Aspekt menschlichen Verhaltens, das er in seinen Filmen zu analysieren sucht,
dessen scheinbare Skurrilität jedoch die Widersprüchlichkeit jener menschlichen Existenz entlarvt.
Insofern sind seine Filme vieldeutige Parabeln voller Freude am grotesken und manchmal makabren
Detail.12
12 Krusche 1996, S. 767; vgl. auch Mira und Antonín J. Liehm: »Roman Polanski, Jerzy
Skolimowski and the Polish Émigrés.« In: Martin Secker (Hrsg.): Cinema: A Critical
Dictionary, Vol. II. London 1980, S. 784–785.
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Dabei setzt er sogar zuweilen ironische Akzente hinsichtlich des ultimativen Endes: das
unausweichliche Übel, das sogar dann noch gehegt und gepflegt wird, wenn man es
bekämpft. Insofern mag seine Lebensphilosophie als existentiell, will sagen manichäistisch
bezeichnet werden: dem »Reich des Lichts« steht immer ein »Reich der Finsternis«
gegenüber. In seiner filmischen Welt ist das Übel, das zutiefst Absurde, letztlich auch das
Surrealistische ähnlich wie bei Wajda somit unvermeidbar, so wie es auch in seiner
Biographie unumgänglich erschienen ist. Moralische Impulse sind zwar präsent und
werden bewertet, doch werden sie letztlich von unmoralischen Trieben schlichtweg
überwältigt.
Rosemaries Baby ist dem Genre des Horrorfilms zuzuordnen. Dafür sprechen
mehrere erfüllte Gesetzlichkeiten. Zunächst tritt der Teufel als das »phantastische
Element« auf, seine Existenz ist wissenschaftlich nicht geklärt; er beharrt auf der
Realität des Übernatürlichen und wird dem zufolge in der Alltagswelt, die ihm
zugrundegelegt wird, als Störung betrachtet. Der Horrorfilm thematisiert in der Regel
das gespaltene Weltbild zwischen Fantasy und Alltagsrealität. Doch kommt es
ihm nicht auf das bruchlose Zusammenfügen der beiden Ebenen an, sondern
gerade auf diesen Riß. Es geht weniger um seine Herkunft, um Ursache oder
Erklärung wie beim Science Fiction. Vielmehr thematisiert dieses Genre die
Wirkung des fremdartigen Horrors auf das menschliche Fühlen, Denken und
Verhalten.13
13 Hans D. Baumann: Horror. Die Lust am Grauen. Weinheim/Basel 1989, S. 246; vgl.
auch Stuart M. Kaminsky: American Film Genres. Chicago 1985, S. 126–127/129.
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Die Präsenz des Teufels wirkt auf Rosemarie lebensbedrohlich. Zudem appelliert Polanski
damit ebenso an die Angst des Zuschauers vor dem Unbekannten und Übermächtigen,
das den physischen oder seelischen Tod verkörpert. Die Ereignisse werden aus der
subjektiven Sicht von Rosemarie geschildert – als solche wirken sie nicht zuletzt auch auf
den Zuschauer bedrohlich. Jung bezeichnet den Film jedoch als eine »ganz neue Form«
des Horrorfilms: er entwickele auf subtilste Weise aus dem »Normalen« den
Wahnsinn, aus dem Wahnsinn das Phantastische. Als Enzym wirke hier die
Religiosität.14
14 Ferdinand Jung/Claudius Weil/Georg Seeßlen: Der Horror-Film. Regisseure, Stars,
Autoren, Spezialisten, Themen und Filme von A-Z. München 1977, S. 339.
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Auch Narducy bestätigt, daß anders als in bis dahin konventionellen Horrorfilmen
Rosemaries Baby weder in einem düsteren, alten Schloß spielt noch in einem seltsamen,
finsteren Haus. Vielmehr siedelt Polanski seine persönlichen Visionen von Bedrohung
und Unheil in der »normalen« Umgebung eines Apartmenthauses in New York City
an.15
15 Ray Narducy: »Rosemary’s Baby.« In: Christopher Lyon (Hrsg.): The Macmillan
Dictionary of Films and Filmmakers, Vol. I: Film. London 1984, S. 402; vgl. auch Ivan
Butler: Horror in the Cinema. Cranbury 1979, S. 109–113.
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Die Hexen – die üble Kraft – die letztlich das
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