- 159 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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Rosemaries Baby: »Ich bewunderte seine [Levins] Kunst, ohne stilistische Tricks und Abschweifungen am Ball zu bleiben. Doch hatte die Fabel auch einen Aspekt, der mich störte. Als Agnostiker glaubte ich ebensowenig an Satan als die Verkörperung des Bösen wie an einen persönlichen Gott; die ganze Idee stand im Widerspruch zu meiner rationalen Weltansicht. Der Glaubwürdigkeit halber beschloß ich, eine Art ›Schlupfloch‹ einzubauen: die Möglichkeit, daß Rosemaries übernatürliche Erlebnisse nichts weiter waren als Ausgeburten ihrer Phantasie.«11
11 Polanski 1984, S. 224.
Das Übel der Welt ist für Polanski vielmehr eine unbestreitbare Tatsache menschlicher Existenz, ein dominanter Aspekt menschlichen Verhaltens, das er in seinen Filmen zu analysieren sucht, dessen scheinbare Skurrilität jedoch die Widersprüchlichkeit jener menschlichen Existenz entlarvt. Insofern sind seine Filme vieldeutige Parabeln voller Freude am grotesken und manchmal makabren Detail.12
12 Krusche 1996, S. 767; vgl. auch Mira und Antonín J. Liehm: »Roman Polanski, Jerzy Skolimowski and the Polish Émigrés.« In: Martin Secker (Hrsg.): Cinema: A Critical Dictionary, Vol. II. London 1980, S. 784–785.
Dabei setzt er sogar zuweilen ironische Akzente hinsichtlich des ultimativen Endes: das unausweichliche Übel, das sogar dann noch gehegt und gepflegt wird, wenn man es bekämpft. Insofern mag seine Lebensphilosophie als existentiell, will sagen manichäistisch bezeichnet werden: dem »Reich des Lichts« steht immer ein »Reich der Finsternis« gegenüber. In seiner filmischen Welt ist das Übel, das zutiefst Absurde, letztlich auch das Surrealistische ähnlich wie bei Wajda somit unvermeidbar, so wie es auch in seiner Biographie unumgänglich erschienen ist. Moralische Impulse sind zwar präsent und werden bewertet, doch werden sie letztlich von unmoralischen Trieben schlichtweg überwältigt.

Rosemaries Baby ist dem Genre des Horrorfilms zuzuordnen. Dafür sprechen mehrere erfüllte Gesetzlichkeiten. Zunächst tritt der Teufel als das »phantastische Element« auf, seine Existenz ist wissenschaftlich nicht geklärt; er beharrt auf der Realität des Übernatürlichen und wird dem zufolge in der Alltagswelt, die ihm zugrundegelegt wird, als Störung betrachtet. Der Horrorfilm thematisiert in der Regel das gespaltene Weltbild zwischen Fantasy und Alltagsrealität. Doch kommt es ihm nicht auf das bruchlose Zusammenfügen der beiden Ebenen an, sondern gerade auf diesen Riß. Es geht weniger um seine Herkunft, um Ursache oder Erklärung wie beim Science Fiction. Vielmehr thematisiert dieses Genre die Wirkung des fremdartigen Horrors auf das menschliche Fühlen, Denken und Verhalten.13

13 Hans D. Baumann: Horror. Die Lust am Grauen. Weinheim/Basel 1989, S. 246; vgl. auch Stuart M. Kaminsky: American Film Genres. Chicago 1985, S. 126–127/129.
Die Präsenz des Teufels wirkt auf Rosemarie lebensbedrohlich. Zudem appelliert Polanski damit ebenso an die Angst des Zuschauers vor dem Unbekannten und Übermächtigen, das den physischen oder seelischen Tod verkörpert. Die Ereignisse werden aus der subjektiven Sicht von Rosemarie geschildert – als solche wirken sie nicht zuletzt auch auf den Zuschauer bedrohlich. Jung bezeichnet den Film jedoch als eine »ganz neue Form« des Horrorfilms: er entwickele auf subtilste Weise aus dem »Normalen« den Wahnsinn, aus dem Wahnsinn das Phantastische. Als Enzym wirke hier die Religiosität.14
14 Ferdinand Jung/Claudius Weil/Georg Seeßlen: Der Horror-Film. Regisseure, Stars, Autoren, Spezialisten, Themen und Filme von A-Z. München 1977, S. 339.
Auch Narducy bestätigt, daß anders als in bis dahin konventionellen Horrorfilmen Rosemaries Baby weder in einem düsteren, alten Schloß spielt noch in einem seltsamen, finsteren Haus. Vielmehr siedelt Polanski seine persönlichen Visionen von Bedrohung und Unheil in der »normalen« Umgebung eines Apartmenthauses in New York City an.15
15 Ray Narducy: »Rosemary’s Baby.« In: Christopher Lyon (Hrsg.): The Macmillan Dictionary of Films and Filmmakers, Vol. I: Film. London 1984, S. 402; vgl. auch Ivan Butler: Horror in the Cinema. Cranbury 1979, S. 109–113.
Die Hexen – die üble Kraft – die letztlich das

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