- 157 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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und Thematiken unterscheiden lassen, die sich vielfach vermischen und überschneiden: Satanskult wie in Rosemaries Baby, Hexen (Michael Reeves’ Der Hexenjäger, 1968), Besessenheit (William Friedkins Der Exorzist, 1973), Antichrist (Richard Donners Film Das Omen, 1975) und Geisterhaus (beispielsweise in Michael Winners Hexensabbat, 1976). Das Wiederaufleben von Satanismus und Hexenwesen in den sechziger Jahren – in Jugendsekten, in der Popkultur und im Gefolge der Frauenbewegung – ist ein allgemeines Kulturphänomen in Westeuropa und vor allem in den USA, das auch die Welle der neueren Teufels- und Hexenfilme mit einschließt.

Von allen Regisseuren, die sowohl in Osteuropa als auch im Westen gearbeitet haben, ist Polanski Eagles Ansicht zufolge der rätselhafteste: in drei Jahrzehnten habe er in seinem Filmschaffen weder eine explizite Position gegenüber politischen, sozialen noch gegenüber ideologischen Strömungen erkennen lassen, welche die Periode des »Kalten Krieges« oder die sowjetische Herrschaft über Osteuropa charakterisierten. Ein unvoreingenommener Zuschauer hätte Schwierigkeiten, besonders von Polanskis späteren Filmen auf sein Heimatland Polen zu schließen. Die Erklärung: es ist die Tendenz zur Universalität, Verallgemeinerung und letztlich zur Allegorie, die Polanskis Filme kulturell so transparent, kosmopolitisch macht.5

5 Herbert Eagle: »Polanski.« In: Daniel J. Goulding (Hrsg.): Five Filmmakers. Tarkovsky. Forman. Polanski. Szabó. Makavejev. Bloomington/Indianapolis 1994, S. 92; vgl. auch Peter Cowie: 50 Major Film-Makers. South Brunswick/New York 1975, S. 199.
Auch der Terminus des Autorenfilmers wird in Zusammenhang mit Polanski nicht so häufig verwendet. Tatsächlich scheint sein Werk nicht jene Art von thematisch-motivischer Kohärenz zu haben, obwohl man immer wieder bestimmte stilistische Tendenzen beobachten kann. Dennoch besteht Anlaß zu der Vermutung, daß Polanski weniger ein Autorenfilmer ist als ein Bergman, Fellini oder Tarkovsky – fast alle seine Filmskripte entstanden in Zusammenarbeit mit anderen Autoren, beispielsweise Jakub Goldberg und Jerzy Skolimowski bzw. Gérard Brach. Bei den übrigen stützte sich Polanski meist auf eine literarische Vorlage, beispielsweise in Rosemaries Baby, Macbeth und Tess. Dennoch: obwohl man in seinen Filmen möglicherweise vergeblich nach thematischer Durchgängigkeit im Sinne des Autorenfilms sucht, weisen seine Filme jedoch eine bevorzugte Thematik auf: die Dominanz von Schmerz, die Austauschbarkeit von Opfer und Peiniger, die Billigung des Bösen um der persönlichen Bereicherung oder des Vergnügens willen, der Raub der Unschuld sowohl im übertragenen als auch wörtlichen Sinne.6
6 Eagle 1994, S. 93.
Thematiken dieser Art bewegen sich jenseits aller internationalen wie auch kulturellen Grenzen, jedes Publikum versteht sie – und gerade das macht Polanskis Filme so transparent und allgemeingültig. Insofern reiht sich auch Rosemaries Baby in diese Linie ein. Zudem nimmt Polanski mit der Thematik des Satanskultes Bezug zu einem gesellschaftlichen Phänomen, das in den sechziger Jahren die westliche Kultur zunehmend bewegte. Am bekanntesten wurde hier in den USA Charles Manson, der unter dem Einfluß des Neugnostikers Aleister Crowley (1875–1947) und anderer satanischer Gruppen Ende der sechziger Jahre die »Final Church« gründete. Manson hielt sich für Satan

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