(Norwid), sondern ihr eigener Untergang. Insofern
bewegt sich die A-Dur-Polonaise hier in die Richtung der mood-technique –
die »Klangfarben« sind mehr als assoziationskräftig. Da sie absolut nicht im
»Bereich des Normalen« liegen, wird auch der Zuschauer in diesem Moment dazu
angeregt, die dissonanten Töne auf die Befindlichkeiten der anwesenden Figuren
umzumünzen. So entsetzlich die Musik hier erklingt, so ergeht es auch den
versammelten Charakteren. Durch das betrunkene Spiel der Kapelle wird die
gesamte Szene zudem gleich emotional aufgeladen: der Portier bedauert den
politischen Umbruch; Wajdas Aristokraten und Bürger sind unfähig, auf die neuen
politischen Zustände zu reagieren. Sie alle nutzen in diesem Moment Chopins
Polonaise, um einer verlorengegangen Zeit nachzutrauern. Sie handeln nach
wie vor nach dem uralten aristokratischen Leitsatz »enrichissez-vouz«: man
verhandelt auf der Siegesfeier Geschäfte, schließt Verträge ab, spannt Intrigen, erteilt
Befehle. Insofern greift hier Chopins melancholisches Melos der Rückbesinnung.
Damit präsentieren sie sich als Relikte der alten Republik Polen, die entstellte
Polonaise suggeriert einen gewissen Realitätsverlust. Die ehemalige Saloneleganz ist
abgeblättert, der frühere herrische Stolz wirkt bei Kotowicz nur noch lächerlich, das
»edle Ansehen« und die »galante Haltung« (Liszt) weicht hier einer grölenden,
torkelnden Gruppe gefallener Existenzen. Hierin liegt auch die Kritik Wajdas
begründet, denn mit solch idealistischer Verblendung kann man kein Land
führen.
An dieser Stelle greift auch die Parallele Wajda – Wyspianski. Ruft man sich die letzte Szene aus seinem Film Die Hochzeit in Erinnerung, so haben wir hier dieselbe Konstellation: eine feiernde Gesellschaft, die in ihrer Vergnügungssucht lediglich einmal mehr ihre durch Dekadenz angekränkelte Moral zur Schau stellt und sich im allgemeinen lieber der idealistischen Verblendung als politischer Führung hingibt. In der Figur des Portiers wird die Machtlosigkeit des Volkes deutlich, das den Wunsch nach politischer Unabhängigkeit hegt, jedoch nicht in der Lage ist, diese durchzusetzen. Insofern stellt Wajda mit der Hilfe von Chopin auch die Frage nach dem Verhältnis des Einzelnen zur Geschichte. Die Antwort mündet in einer Groteske, denn während die Festgesellschaft in vermeintlich patriotischen Gefühlen schwelgt, um ein letztes Mal mit jenem kämpferisch stolzem Pathos der Polonaise vermeintlich gegen die russischen Besatzer aufzutrumpfen, hat sie bereits ihre Abreise aus Polen vor Augen – Pathos in ironischer Verkleidung. Der Aspekt der melancholischen Rückbesinnung deutet sogleich auch auf die neue Beschriftung des Zitats durch den Film. Zwar steht die Präsenz der nationalen Identität – wie oben erläutert – außer Frage, doch muß sich letztlich fragen: was ist das für eine Gesellschaft, die Chopin an dieser Stelle so monströs und selbstverständlich für sich in Anspruch nimmt? Es sind abgehalfterte Aristokraten wie Kotowicz, es sind Karrieristen wie Swiecki oder resignierte Redakteure wie Pienazek, die sich der neuen Zeit anbiedern. So schauerlich die Polonaise hier präsentiert wird, so verkommen gerät auch deren Nationalität, die sie in diesem Moment präsentieren möchten und die im Grunde in einer reinen Selbstinszenierung mündet, man denke an die Beschreibungen von Mickiewicz. Indem der Aspekt der Nationalhymne bei der Frage nach der Gesellschaft getrübt wird, die diese für sich in Anspruch nehmen will, wird auch der Wandel von Chopins Polonaise offenbar: als ursprünglich hochstilisiertes Salonstück verkommt es hier zu einem mehr oder weniger primitiven |