nehmen, lärmt Kotowicz sensationsgierig aus dem Hintergrund: »Jetzt geht
es erst richtig los! Unsere Künstler sind unermüdlich und spielen jetzt eine
Polonaise!« Als sich die Betrunkenen im Halbschatten der schmutzigen Tanzfläche
zur Polonaise aufstellen, läßt Maciek die verzweifelte und resignierte Krystyna
allein in der Bar zurück. Wajdas Vorliebe für dramaturgische Kontraste wird
auch hier wieder offenbar: die oberflächliche Vergnügungssucht der Gesellschaft
offenbart erst die Tragik der Szene, die sich nebenan abspielt. Indem in ein und
demselben Raum von unterschiedlichen Ereignissen erzählt und damit Disparates
zusammengezwungen wird, so verstärkt die innere Montage den Eindruck, daß vom
Bildrahmen ein dramaturgischer Raum eingefangen wird, der nicht verlassen
werden kann. Es ist zugleich Wajdas Methode, mit kinematographischen Mitteln
die unlösbare Verkettung der Menschen mit Vergangenheit und Gegenwart
darzustellen.
Wajda kündigt die Polonaise durch die Figur des Kotowicz wie mit dem Holzhammer an: insgesamt sechsmal ereifert sich dieser, auf »den letzten Tanz« hinzuweisen, um von diesem »schönen Tag Abschied zu nehmen.« Lustlos stimmen die Musiker ihre Instrumente. Kotowicz, gegen das Licht fast schon als schwarze Silhouette sichtbar, leitet die Aufführung mit theatralisch ausgebreiteten Armen und geschraubten Worten ein, während Maciek ruhig und gelassen an ihm vorbeigeht: »Meine Herrschaften, wenn ich das Zeichen gebe, geht es los. Ihnen steht ein hoher künstlerischer Genuß bevor! Wir begrüßen den neuen Tag! Meine Damen und Herren, stellen Sie sich auf zur großen Polonaise! Voilà! Musik!« Damit hat Wajda die Neugierde des Zuschauers genug strapaziert. Dies mag sicherlich auch sein Anliegen gewesen sein. Obwohl Regisseure sich in der Frage der Filmmusik meist lieber mit ihren Äußerungen zurückhalten, merkt er in seiner Monographie Meine Filme folgendes an: »Durch meine Erfahrungen bin ich auf einen weiteren Aspekt der Filmmusik gestoßen. Ein Film ermüdet das Publikum durch seine Länge, auch wenn seine Handlung noch so interessant ist. Wenn man nun in einem Moment, wo Ermüdung zu erwarten ist, Musik hinzufügt, wird das Interesse des Zuschauers für den Dialog [...] dank dieses überraschenden Faktors neu erwachen.«92 Im Gegensatz zu den Anhängern der bildintegrierten Expressionsmusik hält sich Wajda mit diesem Musikeinsatz zum Ende des Filmes daher eher an das Prinzip der Filmmusik als bewußt gesetztes dramaturgisches Mittel, insofern hat sie an dieser Stelle auch einen – wenn auch etwas plumpen, da zu eindringlichen – filmgliedernden Charakter (Motte-Haber). Der Einsatz der Polonaise entsteht aus der Szene heraus, ist also »sachlich motiviert«, um es mit Adornos Worten zu formulieren. Damit wahrt die Polonaise gleich zu Beginn die von Lissa geforderte Eigenständigkeit im dramaturgischen Ablauf. Wie bei den meisten Filmen gibt auch hier die erste Einstellung der Szene Aufschluß darüber, aus welcher Perspektive die Musik zu hören und zu verstehen ist (vgl. Sequenzprotokoll Anhang B.1.1). Der Saal ist in der Totalen abgelichtet – eine mögliche Identifikation des Zuschauers mit den Figuren ist damit von vornherein ausgeschlossen. Zudem wendet Kotowicz der Kamera |