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über die polnische Gesellschaft aus einem historischen Blickwinkel lautet, trotz Tauwetter und XX. Parteitag, denn er hier jene traumatischen Verstrickungen der menschlichen Existenz zwischen gegensätzlichen politischen Lagern auf. Den Zukunftsglauben und das Plädoyer für Brüderlichkeit der Romanvorlage läßt Wajda hier außen vor – eine unmißverständliche Botschaft. Sein Fazit ist die Ausweglosigkeit, was nochmals durch das Zitat von Oginskis Polonaise im kurzen Abspann bekräftigt wird. Das naive Draufgängertum des Widerstandskämpfers wird in der Phase der Stabilisierung der neuen Ordnung zur verwerflichen Aktivität, letztlich durch die Russen »bestraft«. Damit erweist sich Maciek mehr denn je als ein Vertreter jener verlorenen polnischen Generation, denn das Streben nach nationaler Autonomie gerät ihm zum nationalen Trauma. Indem er sein Treueprinzip ad absurdum führt, bringt er sich letztlich selbst zur Strecke. Insofern rechnet er mit dem romantischen Mythos um den heldenhaften Tod ab, der am Ende sinnlos ist und dies im Grunde schon immer war. Doch der tragische Untergang des Helden ist keineswegs durch Moral motiviert, nicht der Hinweis auf ein schlechtes Beispiel. Anstelle einer Wertung anhand fester moralischer Maximen, die ja ein stabiles Bezugssystem voraussetzen, tritt die Beurteilung der moralischen Bezugssysteme selbst. Damit reflektiert Wajda gleichzeitig ein kritisches Bewußtsein in der Aufarbeitung der polnischen Geschichte. Doch liegt sein Interesse nicht in der Debatte der verschiedenen politischen Doktrinen. Er beläßt es lediglich bei ihrer Darstellung und der daraus entstehenden Konsequenzen, die von Maciek auf die übergeordnete nationale Ebene deuten. Letztlich hat der Zuschauer sein eigenes Urteil zu fällen.

8.3.  Frédéric Chopin: Polonaise A-Dur op. 40 Nr. 1

8.3.1.  Der musikalische Kontext des Zitats

Die Klaviermusik erhält neben dem Orchester im 19. Jahrhundert besondere Geltung. Sie bot Spielraum für zutiefst verinnerlichte persönliche Aussagen des Komponisten als auch für virtuose, fast schon orchestrale Effekte, wenn man beispielsweise an Liszts Kompositionen denkt. In den Klavierkompositionen Chopins vereinen sich beide Tendenzen. Das Gebiet dieser Synthese, so Lissa, seien hauptsächlich seine Polonaisen.43

43 Zofia Lissa: »Klavierpolonaise und -mazurka im 19. Jahrhundert.« In: Wulf Arlt/Ernst Lichten-hahn/Hans Oesch (Hrsg.): Gattungen der Musik in Einzeldarstellungen. Gedenkschrift Leo Schrade, Erste Folge. Bern/München 1973, S. 821.
Chopin hat, so wird immer wieder betont, die Ausdrucksmöglichkeiten der Polonaise weit über ihre ursprünglichen Ausdrucksgrenzen ausgedehnt – in Richtung der heroisch-dramatischen und zugleich ungemein persönlichen Aussage.44
44 Zur Definition und Geschichte der Polonaise vgl. auch Carl Dahlhaus: »Polonaise«. In: Carl Dahlhaus/Hans Heinrich Eggebrecht: Brockhaus Riemann Musiklexikon, Bd. 3. Mainz 1992c, S. 313; Daniela Gerstner: »Polonaise.« In: Ludwig Finscher (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Bd. 7. Kassel/Basel/London u.a. 1997, S. 1686–1689; Józef W. Reiss/Maurice J. E. Brown: »Polonaise«. In: Stanley Sadie (Hrsg.): The New Grove Dictionary of Music and Musicians, Vol. 15. London/Washington/Hong Kong 1980, S. 49–52; Hugo Leichtentritt: Musikalische Fomenlehre. Wiesbaden 1987, S. 56–57; Adrian Thomas: »Beyond the dance.« In: Jim Samson (Hrsg.): The Cambridge Companion to Chopin. Cambridge 1992, S. 145–149; Otto Schneider: Tanzlexikon. Mainz/London/New York u.a. 1985, S. 409–410; Curt Sachs: Eine Weltgeschichte des Tanzes. Hildesheim/New York 1976, S. 285.
Dieser sind bei Chopin alle Mittel des pianistischen Virtuosentums untergeordnet. Damit unterscheidet er sich von Klaviervirtuosen wie Liszt oder Thalberg.

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