begründen versucht. Bezeichnend hierfür ist die
Tatsache, daß sich Eisenstein für seinen Film Alexander Newski aus dem Jahre 1938
offenbar nicht mehr an seine zehn Jahre zuvor erschienene Theorie erinnerte,
da er sich hier eher dem Begriff der Vertikalmontage zugewandt hat. In ihr
ergänzen Sprache und Musik die visuellen Bilder zu einer Simultaneität der
Bild-Ton-Beziehungen. Nach Emons wäre die Idee des audiovisuellen Kontrapunkts
lediglich als reine Zitatencollage in der Art eines musikalischen Who is Who realisierbar
gewesen.7
7 Motte-Haber/Emons 1980, S. 22.
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1.2. Theodor W. Adorno/Hanns Eisler: Komposition für den Film
Composing for the Film hieß die erste, 1947 erschienene Ausgabe; Komposition für den Film
alle nachfolgenden, nämlich die von Hanns Eisler 1949 publizierte und die von Adorno in
beider Namen 1969 vorgelegte, die wenig erweitert, in die Gesamtausgabe der Schriften
Adornos einging. Verwendet wird hier eine Ausgabe aus dem Jahre 1976 von Rolf
Tiedemann.8
8 Theodor W. Adorno/Hanns Eisler: Komposition für den Film. Frankfurt am
Main 1976. Eine Neuauflage erschien 1996 bei der Europäischen Verlagsanstalt
Hamburg.
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Helga de la Motte-Haber weist gleich zu Beginn auf die Diskrepanz der Übersetzung
der Ausgaben hin. Während die Originalausgabe aus dem Jahr 1949 Composing for the
Film hieß, so erhielt die deutsche Übersetzung den Titel Komposition statt
Komponieren für den Film. Da der Begriff der Komposition die gesamte abendländische
Musik vom Mittelalter bis zur Moderne prägt, sieht de la Motte-Haber vor
allem in dieser Übersetzung die ästhetische Verpflichtung beider Autoren der
Kunstmusik gegenüber bestätigt, in der sich beide einig sind. Dies bestätigt sich
durchaus während der Lektüre, gehen doch beide Autoren bei der Definition und
Beurteilung von Filmmusik von Bewertungskriterien aus, die der autonomen
Musik zugesprochen werden müssen. Dieser bereits im Titel augenscheinlichen
Akzentuierung der Kunstmusik entspricht bei Adorno der Wunsch, den Glauben an das
historische Kulturgut zu bewahren. Hanns Eislers »angewandte Musik« entspricht
diesem Wunsch ebenfalls insofern, als daß er als Komponist das Kriterium der
»Brauchbarkeit« von Musik den Standards unterwarf, den die autonome Musik gesetzt
hatte.
Adorno und Eisler lebten als Emigranten in Los Angeles, als sie das Buch verfaßten.
Die Konsequenz: sie betrachten Filmmusik aus dem Blickwinkel einer allzu pessimistisch
eingeschätzten Kulturindustrie, die in den vierziger Jahren in Amerika bereits ungeheure
Macht auf die allgemeinen Rezeptionsgewohnheiten der Menschen ausübte. Filmmusik
ist für beide ein Beispiel für eine Art heruntergekommenes Kulturgut, ein Medium
der Massenkultur und Aushängeschild der Vergnügungsindustrie, dem man
sowohl Geschichte als auch eine Zukunft absprechen muß. Insofern steht in
ihrem Buch auch ganz allgemein die Beziehung von Musik und Gesellschaft zur
Diskussion.9
9 Vgl. auch Fritz Hennenberg: Hanns Eisler. Reinbek 1998, S. 69–74.
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Einig sind sich beide in bezug auf die Ablehnung des Hollywood-Stils der dreißiger und
vierziger Jahre. Unter der Überschrift der
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