- 128 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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symbolische Umarmung, die den Widerstreit der Interessen unauflösbar erscheinen läßt und die zunächst lediglich latent vorhandenen Ähnlichkeiten zwischen diesen beiden Männern aufdeckt: beide haben eine Idee von Polen, für die sie unter allen Umständen eintreten. Aber erst jetzt, im Tod, sind sie zusammen. Die Szene wäre natürlich nur halb beschrieben, würde man übersehen, in welch tragisch ironischen Zusammenhang sie gestellt ist: gerade in dem Augenblick nämlich geht das Fest im Hotel seinem makabren Höhepunkt entgegen – einem Feuerwerk, das sich in den Pfützen rings um Maciek und den toten Szczuka spiegelt. Hier erscheint die Aussage des Films fast schon gewaltsam metaphorisch verkürzt.

Der Höhepunkt ist zugleich der Wendepunkt der Tragödie, die Ermordung Szczukas das tragische Moment, das dem Helden letztlich den Tod bringt. In den beiden folgenden Szenen, dem Fall der Handlung, bereitet Maciek hastig seine Flucht vor. Derweil nähert sich die Feier der Aristokraten ihrem Ende. Als der Pianist in der verrauchten Bar ein paar Takte von Oginskis Polonaise Adieu à la patrie spielt, horcht der aufgeplusterte und mittlerweile stark angetrunkene Impresario auf. Er deutet die ersten Takte von Chopins Polonaise in A-Dur an und besteht in aristokratischer Manie auf seinem Musikwunsch, woraufhin der Pianist Chopins Polonaise anspielt. Die Aristokraten, Bürger, der Minister – alle stellen sich zu einem letzten Tanz auf, während Maciek ein letztes Mal auf Krystyna trifft (Szene 27). Diese letzte Begegnung erweist sich als das Moment der letzten Spannung, denn noch kann er sich zu Krystyna bekennen. Doch alle bisherigen Anzeichen sprechen dagegen. Szene 28 leitet die endgültige Katastrophe ein: Drewnowski, der es sich mit dem Minister endgültig verscherzt hat, kommt nun wieder bei Andrzej angekrochen. Dessen Antwort ist deutlich: er schlägt den Mitläufer zusammen und fährt davon. Als Drewnowski Maciek erblickt, rennt dieser davon – wiederum eine seiner Kurzschlußhandlungen, die sein endgültiges Ende einläuten. Die laute polternde Polonaise bildet zu den Szenen, in denen der angeschossene Maciek mittlerweile mehr tot als lebendig ziellos durch die Gegend stolpert, einen ironischen Kontrast. Der nächste Schnitt offenbart Krystynas tränengerührtes Gesicht in Großaufnahme. Die Polonaise Chopins wird hier abgelöst durch Oginskis ruhigen und sentimentalen Tanz Adieu à la patrie aus dem Jahre 1831.

Seitenblick: Michal Kleofas Oginski (1765–1833)

Oginski stammte aus einer polnischen Magnatenfamilie, die vor der polnischen Teilung höchste staatliche Stellungen innehatte. Er übte zahlreiche und mannigfaltige politische Funktionen aus und begann bereits früh eine diplomatische und politische Laufbahn. Ab 1802 widmete er sich dann völlig dem Komponieren. Nach der Gründung Kongreßpolens reiste er 1815 nach Florenz, das er bis zu seinem Tode nicht mehr verließ. Oginski schrieb zahlreiche, in Polen sehr beliebte patriotische Lieder, die jedoch nicht mehr erhalten sind. Eine Zeitlang wurde ihm die Melodie der polnischen Nationalhymne, der Dabrowski-Mazurka, zugeschrieben. Bereits 1792 wurde er als Komponist programmatischer Klavierpolonaisen populär, die voller Saloneleganz und von der für die Frühromantik typischen Sentimentalität sind. Sie galten zu ihrer Zeit als Vorbild des nationalen Stils in der polnischen Musik und werden heute als ein Bindeglied in der Entwicklung dieser Gattung gesehen, das direkt zu den Jugendwerken Chopins führt. Oginskis rund zwanzig Polonaisen tragen häufig einen programmatischen Titel wie seine wohl berühmteste, auch von Wajda zitierte Polonaise Abschied von der Heimat oder Die Teilung Polens. Sie sind eng mit dem damaligen tragischen Schicksal Polens verbunden. Zudem war Oginski einer


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