- 119 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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Übergeordnetes Prinzip der Kriegstrilogie Wajdas ist eine kritische Aufarbeitung der Geschichte, die zunächst besonders dem polnischen Zuschauer eine Möglichkeit der Reflexion seines eigenen Verhältnisses zum Geschichtsmechanismus einräumte. So wie man auf übergeordneter Ebene in Wajdas Gesamtwerk offenbar weder einen durchgängigen Stil, eine konstante Aussage noch ein kontinuierliches Genre identifizieren kann (jedenfalls hat dies noch niemand versucht), so trifft letzteres auch auf Asche und Diamant zu: man kann diesen Film nicht auf ein durchgängiges Genre festlegen. Feststeht jedenfalls, daß Wajda dem bisherigen politischen Thesenfilm eine radikale Absage erteilt, der den »positiven Helden« des sozialistischen Realismus propagierte. Kreimeier sieht in der Unmöglichkeit einer eindeutigen Genrezuordnung einen Zusammenhang zwischen der konstanten Thematik der Darstellung menschlicher Psyche und der formalen Anlage seiner Filme: auf Asche und Diamant angewandt trifft dies durchaus zu. So wie der Held des Films, Maciek Chelmicki, im dramaturgischen Verlauf von inneren Widersprüchlichkeiten gezeichnet ist, so kontrovers fallen auch die Genres aus, denen der Film in seinen unterschiedlichen dramaturgischen Phasen zugeordnet werden kann. Doch gerade das zeichnet Wajda als einen typischen Vertreter der Polnischen Schule aus: Beweglichkeit in der Handhabung der Genreformen bei gleichzeitiger Fähigkeit, auch ganz heterogene Stilelemente nahtlos miteinander zu verschränken.28
28 Kreimeier 1980, S. 25.
Wuss versteht dieses »wüste Durcheinander« von Stilelementen und Genreformen auch als Aussage über den Zeitgeist jener Umbruchperiode.29
29 Peter Wuss: »Über die Kritisierbarkeit der Katastrophe. (Bemerkungen zu Asche und Diamant).« Filmwissenschaftliche Mitteilungen 4 (1964) 1022; vgl. auch Peter Wuss: Die Tiefenstruktur des Filmkunstwerks. Berlin 1986, S. 202–215.
So konstruiert Wajda die Exposition des Films – den Feuerüberfall auf den Jeep – als Gangsterfilm-Etüde. Macieks Bekanntschaft mit Krystyna gestaltet sich zunächst als Liebesgeschichte, die jedoch mit zunehmendem dramaturgischen Verlauf in eine Schicksalstragödie mündet. Der stringente Handlungsverlauf sowie die Einheit von Zeit und Ort charakterisieren Asche und Diamant zudem als ein klassisches Kammerspiel.

8.2.  Inhalt und Dramaturgie

8. Mai 1945: der Tag der deutschen Kapitulation, das Ende des Zweiten Weltkrieges. In Polen beginnt der Bürgerkrieg. Eine kleine Stadt in der polnischen Provinz. Vor der Stadt warten drei Männer auf den neuen kommunistischen Gewerkschaftsfunktionär Szczuka. Sie sind Anhänger der nationalistischen Untergrundorganisation Armia Krajowa und haben den Auftrag, Szczuka zu ermorden. Unter ihnen ist der junge Maciek Chelmicki. Das Attentat mißlingt: sie schießen auf das falsche Auto, zwei unbeteiligte Menschen werden Opfer der Kugelgarben. Dieses Ergebnis weckt in den Attentätern Zweifel am Sinn ihres Kampfes. Andrzej bekennt sich schnell wieder zu unbedingter Disziplin, bei Maciek geht der Gewissenskonflikt tiefer. In der Stadt hören die Leute aus einem öffentlichen Lautsprecher die Siegesmeldung. Von nun an spielt der Film überwiegend im alten Hotel der Stadt, dem Monopol. Hier finden am Abend zwei feierliche Veranstaltungen zur Befreiung statt. Im Restaurant feiert die lokale Prominenz ein patriotisches Fest auf ihre Weise; in einem nach hinten gelegenen Saal versammelt der Bürgermeister, der als Minister nach Warschau berufen werden soll, die neue kommunistische Elite und junge Opportunisten


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