Übergeordnetes Prinzip der Kriegstrilogie Wajdas ist eine kritische Aufarbeitung der
Geschichte, die zunächst besonders dem polnischen Zuschauer eine Möglichkeit der
Reflexion seines eigenen Verhältnisses zum Geschichtsmechanismus einräumte.
So wie man auf übergeordneter Ebene in Wajdas Gesamtwerk offenbar weder
einen durchgängigen Stil, eine konstante Aussage noch ein kontinuierliches
Genre identifizieren kann (jedenfalls hat dies noch niemand versucht), so trifft
letzteres auch auf Asche und Diamant zu: man kann diesen Film nicht auf ein
durchgängiges Genre festlegen. Feststeht jedenfalls, daß Wajda dem bisherigen
politischen Thesenfilm eine radikale Absage erteilt, der den »positiven Helden« des
sozialistischen Realismus propagierte. Kreimeier sieht in der Unmöglichkeit einer
eindeutigen Genrezuordnung einen Zusammenhang zwischen der konstanten
Thematik der Darstellung menschlicher Psyche und der formalen Anlage seiner
Filme: auf Asche und Diamant angewandt trifft dies durchaus zu. So wie der
Held des Films, Maciek Chelmicki, im dramaturgischen Verlauf von inneren
Widersprüchlichkeiten gezeichnet ist, so kontrovers fallen auch die Genres aus,
denen der Film in seinen unterschiedlichen dramaturgischen Phasen zugeordnet
werden kann. Doch gerade das zeichnet Wajda als einen typischen Vertreter der
Polnischen Schule aus: Beweglichkeit in der Handhabung der Genreformen bei
gleichzeitiger Fähigkeit, auch ganz heterogene Stilelemente nahtlos miteinander zu
verschränken.28
28 Kreimeier 1980, S. 25.
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Wuss versteht dieses »wüste Durcheinander« von Stilelementen
und Genreformen auch als Aussage über den Zeitgeist jener
Umbruchperiode.29
29 Peter Wuss: Ȇber die Kritisierbarkeit der Katastrophe. (Bemerkungen zu Asche und
Diamant).« Filmwissenschaftliche Mitteilungen 4 (1964) 1022; vgl. auch Peter Wuss: Die
Tiefenstruktur des Filmkunstwerks. Berlin 1986, S. 202–215.
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So konstruiert Wajda die Exposition des Films – den Feuerüberfall auf den Jeep – als
Gangsterfilm-Etüde. Macieks Bekanntschaft mit Krystyna gestaltet sich zunächst als
Liebesgeschichte, die jedoch mit zunehmendem dramaturgischen Verlauf in eine
Schicksalstragödie mündet. Der stringente Handlungsverlauf sowie die Einheit von
Zeit und Ort charakterisieren Asche und Diamant zudem als ein klassisches
Kammerspiel.
8.2. Inhalt und Dramaturgie
8. Mai 1945: der Tag der deutschen Kapitulation, das Ende des Zweiten Weltkrieges. In
Polen beginnt der Bürgerkrieg. Eine kleine Stadt in der polnischen Provinz. Vor der
Stadt warten drei Männer auf den neuen kommunistischen Gewerkschaftsfunktionär
Szczuka. Sie sind Anhänger der nationalistischen Untergrundorganisation Armia Krajowa
und haben den Auftrag, Szczuka zu ermorden. Unter ihnen ist der junge Maciek
Chelmicki. Das Attentat mißlingt: sie schießen auf das falsche Auto, zwei unbeteiligte
Menschen werden Opfer der Kugelgarben. Dieses Ergebnis weckt in den Attentätern
Zweifel am Sinn ihres Kampfes. Andrzej bekennt sich schnell wieder zu unbedingter
Disziplin, bei Maciek geht der Gewissenskonflikt tiefer. In der Stadt hören die Leute
aus einem öffentlichen Lautsprecher die Siegesmeldung. Von nun an spielt der Film
überwiegend im alten Hotel der Stadt, dem Monopol. Hier finden am Abend zwei feierliche
Veranstaltungen zur Befreiung statt. Im Restaurant feiert die lokale Prominenz ein
patriotisches Fest auf ihre Weise; in einem nach hinten gelegenen Saal versammelt
der Bürgermeister, der als Minister nach Warschau berufen werden soll, die neue
kommunistische Elite und junge Opportunisten
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