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Pflichterfüllung und Solidarität – ein weiteres konstantes Topos in Wajdas Werk20
20 Clifford Lewis/Carroll Britch: »Andrzej Wajda’s War Trilogy: A Retrospective.« Film Criticism 10 (1986) 22.
– bedingungslos gefolgt sind. Andererseits bricht er jene Ambiguität von Heroismus vollständig auf und offenbart in seiner Trilogie eine bittere Skepsis gegenüber der nationalen Tradition des romantischen Heldentums, indem er Schlüsselfragen aufwirft: Worin liegt der Sinn des Kampfes, wenn die Niederlage bereits absehbar ist? Dienen Heroismus, Leid und Tod letztlich der Nation oder stellen sie legendäre Gesten dar, deren Bedeutung sich lediglich der nächsten Generation erschließt?21
21 Michalek/Turaj 1988, S. 27.
Damit legt er einen Konflikt bloß, den seine jungen Helden erleiden, welche die Plätze der gefallenen älteren Generation einnehmen und sich selbst dabei als eine »verlorene Generation«22
22 Hemingways Schlüsselbegriff ist hier jedoch nur bedingt anwendbar. Zwar stehen sowohl bei Hemingway als auch bei Wajda die Teilnehmer und Überlebenden eines Krieges im Mittelpunkt, doch während Hemingway in seinen Kurzgeschichten In Our Time (1925) sowie in seinen Romanen The Sun Also Rises (1926) oder A Farewell to Arms (1929) die Verbitterung der Überlebenden des Ersten Weltkrieges nachzeichnete, die sich durch ihre persönliche Aufopferung im Krieg verraten fühlten, bringt Wajda seinen nationalen Heroismus eher in dokumentarisch darstellender Form auf die Leinwand – gemäß dem Standard der Polnischen Schule, die auf einer Bestandsaufnahme beharrt. Damit überläßt er es letztlich dem Zuschauer, sich an seine eigenen bitteren Erfahrungen oder die seiner Landsleute im Zweiten Weltkrieg zu erinnern.
erweisen. Dabei stehen Wajdas Helden und ihre Konflikte jedoch nicht nur privat für sich selbst. In ihrem Schicksal spiegeln sich Stationen, Schnittpunkte polnischer Geschichte als nationales Trauma23
23 Kreimeier 1980, S. 19.
bzw. der polnische Drang nach Identität und nationaler Autonomie24
24 Lewis/Britch 1986, S. 22.
, als solche weitere konstante kritisch aufgearbeitete Motive in Wajdas Trilogie, die eine politische Folie für die »inneren Vorgänge« seiner Figuren darstellen. Das Trauma definiert sich hierbei durch ein weiteres konstantes Motiv, das untrennbar damit verbunden ist: das Sterben für Polen25
25 Kreimeier 1980, S. 29.
, als solches ein Appell Wajdas an das politische Bewußtsein seiner Landsleute. Damit gerät ihm die soziale Frage zum nationalen Problem, denn der Tod für Polen ist als schockhafte Erfahrung im Film ein unbewältigtes Element in Polens Nationalgeschichte, anhand dessen er gerade in seiner Trilogie die Kultur und das moralische Bewußtsein eines ganzen Landes darstellt.

Alle bisher genannten Konstanten bündeln sich in dem letzten und wohl bekanntesten Film seiner Kriegstrilogie Asche und Diamant, der gegenüber den ersten beiden Filmen weitgehend am meisten mit der Polnischen Schule, sogar als ihr Höhepunkt identifiziert wird. Er basiert auf dem gleichnamigen Roman von Jerzy Andrzejewski (1948). Nicht zufällig konzentriert Wajda in Asche und Diamant die Ereignisse auf den 8. Mai. Während dieses Datum als Stunde Null in die westdeutschen Geschichtsbücher eingegangen ist, quasi als Bruchstelle der Historie, ging in Polen der Krieg weiter – als Kampf der ideologisch unterschiedlichen Formierungen. Auf der einen Seite stand die national und bürgerlich orientierte Armia Krajowa (AK), auf der anderen die kommunistisch orientierte Armia Ludowa (AL), deren


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