- 116 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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Schlappner faßt die Gemeinsamkeiten der Filme des Neorealismus mit wenigen Worten zusammen: »Wahrhaftigkeit, Nüchternheit, Gewissenserforschung, Unmittelbarkeit: das gab diesen Filmen den Charakter des Bekenntnishaften [...].«14
14 Schlappner, Martin: Von Rosselini zu Fellini. Das Menschenbild im italienischen Neo-Realismus. Zürich 1958, S. 9.

In der Literatur werden kontinuierlich zwei grundsätzliche Charakteristika genannt, die Wajdas Werk, besonders aber seine Kriegstrilogie, durchziehen: einerseits die romantische Atmosphäre seiner Filme und andererseits seine Vorliebe für ausweglose Situationen, die durch keine politische Moral zu rechtfertigen sind und meist im Untergang münden. Doch handelt es sich bei ihm nicht um die obsolete Romantik des 19. Jahrhunderts, sondern um eine »moderne Romantik« der Mitte des 20. Jahrhunderts. Was er mit dem vergangenen Jahrhundert gemein hat, das ist seine Verehrung für heroische Gesten, romantische Überempfindlichkeit sowie den plötzlichen Wechsel von höchster überspannter Euphorie zu hoffnungsloser Resignation. Auf seine vermeintliche Vorliebe für Romantik angesprochen, konzentriert Wajda diese Eigenschaften auf die Helden seiner Filme: »I often ask myself why my films are considered romantic. Is it a matter of situation? Is it the problem of the hero? If it comes from the hero, let’s see what he should be and what he is in my films: disinterested, looking for the truth, always in conflict with his surroundings. [...] The dead-end situation is the most interesting of dramatic situations. If the hero has a chance of a way out, it means he can do right or do wrong. If he acts rightly, there’s no problem, if wrongly, he’s stupid and it’s useless to make a film. I think that Aristotle’s poetic is more in force today and to a greater degree that one thinks.«15

15 Stanislas Janicki: »Andrzej Wajda.« In: Colin McArthur (Hrsg.): Andrzej Wajda: Polish Cinema. London 1970, S. 37–38.

Der Todesreigen16

16 Klaus Kreimeier: »Nach der Schlacht.« In: Jansen/Schütte 1980, S. 14.
, der sich fortan mit seinen vielen absurden bis in die Tragikomik mündenden Bildern ebenso kontinuierlich durch sein Werk zieht, ist Wajdas Beitrag zur Psychologie des Sterbens. Der Tod ist bei ihm eng verquickt mit seinem Hang zur Romantik. Damit näherte er sich der Romantik in obengenanntem »modernen« Sinne von der skeptischen Seite. Er stellt die Figuren seiner Kriegsfilme stets zwischen Rausch und Trümmern dar: Reste eines feudalen Salons, edle Vasen, Porzellanfiguren, ein Bechstein-Flügel – eine fotografierte Reliquiensammlung des 19. Jahrhunderts, die Melancholie und Abschied ausstrahlt, in der seine Figuren letztlich politisch unmündig und damit ohnmächtig sind.17
17 Günther Seuren: »Asche und Diamant.« In: Arbeitsgemeinschaft der Filmjournalisten e. V. (Hrsg.): Jahrbuch III der Filmkritik. Emsdetten/Westf. 1962, S. 290.
Eng mit dem Tod verbunden ist stets das Motiv der (unerfüllten) Liebe. Kreimeier bezeichnet Wajdas Verknüpfung von Liebe und Tod auch als »existentielle Grundmotive«.18
18 Kreimeier 1980, S. 42.
Meist werden beide in einer Verkettung von Zufall und Schicksal auf die Spitze grausamer Ironie getrieben. Zugleich stellt sich das Motiv des Todes bei Wajda meist als Folge von Pflichterfüllung dar – der Konflikt zwischen Liebe und Pflicht ist zudem klassisch. »Die Helden fallen der Gewalt der Umstände zum Opfer, aber fallend siegen sie in moralischer Hinsicht,«19
19 Maria Ratschewa: »Interview.« In: Jansen/Schütte 1980, S.71; vgl. auch Fred Gehler: »Das Trauma der Ausweglosigkeit. Andrzej Wajda: Mythen und Entmystifikation.« Film und Fernsehen 11 (1990) 21.
da sie ihrem persönlichen Anspruch an

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