Seichte Unterhaltungsmusik ist den meisten Szenen im Hotel
Monopol unterlegt, in denen die snobistische Bourgeoisie ihren trügerischen
Triumph feiert. Bezeichnenderweise handelt es sich hierbei um eine beharrlich
wiederkehrende dekorative Mischung aus folkloristisch angehauchtem Tango,
Walzern und Polkas. Doch begnügt Wajda sich hier nicht nur mit rein dekorativer
Klangfolie. In den Szenen 20 und 22 drehen sich die Paare im -Takt von Johann
Strauß’ Wiener Blut. Die Kommunisten dagegen schwelgen im Nebenraum zu
den Klängen von Parteiliedern im Siegestaumel. Szczuka erinnert sich voller
Nostalgie an die »alten Zeiten«, indem er sich in eine Platte mit Liedern der
spanischen Revolutionäre auf einem ebenso nostalgischen Grammophon anhört.
Schließlich beendet die Aristokratie das Gelage mit der schwungvollen Polonaise
A-Dur von Frédéric Chopin, gefolgt von der Polonaise Adieu à la patrie des
polnischen Komponisten Michal Kleofas Oginski. Das Chopinsche Zitat wird der
These entsprechend bei der Analyse im Vordergrund stehen, die Funktionen
aller anderen Themen werden im Zusammenhang der Dramaturgie des Films
charakterisiert.
8.1. Entstehungsgeschichte und Genre
»Ich wollte mit meinem bescheidenem Film vor dem Zuschauer die
komplizierte und schwierige Welt dieser Generation enthüllen, der auch
ich selber angehöre«, so äußert sich Wajda (*1926 in Polen) in einem
Interview.1
1 Andrzej Wajda, ohne Quellenangaben, zit. n. Dieter Krusche: Reclams Filmführer.
Stuttgart 1996, S. 505.
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Asche und Diamant ist der dritte Film von Wajdas sogenannter
»Kriegstrilogie«2
2 Dazu gehören neben Asche und Diamant die Filme Eine Generation (1954) und Kanal
(1956).
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Der Film kam erst 1961 in die Bundesrepublik Deutschland und wurde bereits damals
als ein Meisterwerk des Regisseurs gefeiert. Allerdings, so wird in der Literatur häufig
kritisiert, griff die damalige Kritik zu kurz. Man erkannte seine politischen
Dimensionen lediglich in Umrissen, historische und literarische Bezüge seien nur vage
beschrieben.3
3 Klaus Eder: »Kommentierte Filmographie.« In: Peter W. Jansen/Wolfram Schütte
(Hrsg.): Andrzej Wajda. Reihe Film 23. München 1980, S. 112.
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Ein Grund hierfür lag sicherlich in mangelhafter Kenntnis der damaligen polnischen
Filmlandschaft. Kritiker der westeuropäischen Staaten hatten zur Entstehungszeit des
Films zu wenig Orientierungspunkte, anhand derer sie diesen Film hätten messen und
einordnen können. Hinzu kam die allgemeine Unkenntnis polnischer Literatur. Asche und
Diamant basiert auf dem gleichnamigen Roman von Jerzy Andrzejewski, erschienen
im Jahre 1948, dessen deutsche Übersetzung jedoch erst zwölf Jahre später
herauskam.
Wajdas Asche und Diamant gilt heute als ein repräsentatives Werk der Polnischen
Schule. Es handelt sich dabei um eine Filmbewegung in Polen, die ihren Ursprung in den
politischen Ereignissen der frühen fünfziger Jahre hat. Eine neue Richtung,
die sich vehement vom bisherigen Kunstprinzip des Sozialistischen Realismus
lossagte.
Der Begriff des »Sozialistischen Realismus« entstammt dem Vokabular der stalinistischen
Kulturpolitik. Im polnischen Film war dieser Begriff besonders in den Jahren 1949 bis 1955
dominant. Zu diesem Zeitpunkt konnte er jedoch bereits auf eine langjährige
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