- 100 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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zugänglich. Bezeichnenderweise, so Maas, beruhen die meisten Wirkungen von Filmmusik auf kulturell bestimmten Lernprozessen, die vor allem auch durch die üblicherweise große Filmerfahrung bzw. Filmmusikerfahrung des heutigen Publikums geprägt wurden.23
23 Maas 1994, S. 31.
Zitate autonomer Musik sind seit den sechziger Jahren ein unverzichtbarer Bestandteil des filmmusikalischen Konzepts. Britische Filme wie James Ivorys romantische hochgradig durchästhetisierte Literaturverfilmungen Zimmer mit Aussicht (GB 1986), Wiedersehen in Howards End (GB 1991) oder Hamptons Carrington (GB 1995) belegen dies. Neben europäischen Autorenfilmern wie Louis Malle greifen auch amerikanische Regisseure wie Martin Scorsese gerne auf autonome Musik zurück. So ist der Rückgriff auf Kunstmusikzitate mittlerweile vollkommen unabhängig vom jeweiligen Filmgenre geworden. Mit der Entwicklung von der »Redseligkeit zur Lakonie« soll nicht gesagt werden, daß jede Filmmusik von heute kurz angebunden ist. Doch sie kann sich jene Kürze aufgrund veränderter Rezeptionsmuster leisten. Schmidt zieht daraus den Schluß, daß sich eine moderne filmmusikalische Konzeption intellektualisiert hat, ohne dabei die emotionale Komponente zu unterschlagen.24
24 Schmidt 1990, S. 244.

Mit der Entwicklung zum »nackten Material« und der Tendenz zur »semantischen Beschriftung« erweist sich die Entwicklung der Filmmusik somit als äußerst pluralistisch. Letztere Tendenz betrifft nicht nur das autonome Zitat, sondern auch den großen, fast unüberschaubaren Bereich der internationalen Rock- und Popmusik. Zwar bleibt hier meist die Frage nach einer »intellektuellen Funktion« auf der Strecke – letztendlich zielt der Einsatz auf einen Gewinn auf dem Tonträgermarkt – ästhetisch gesehen sind Zitate aus der Rock- und Popmusik in Filmen dennoch reizvoll. Erfolgsfilme wie Good Morning, Vietnam (USA 1987; Regie: Barry Levinson; Musik: Beach Boys, Perry Como, James Brown, Louis Armstrong u.a.), Batman (USA 1989; Regie: Tim Burton; Musik: Prince) oder Vier Hochzeiten und ein Todesfall (GB 1993; Regie: Mike Newell; Musik: Elton John, Sting, Wet Wet Wet u.a.) sind seit Jahren auf dem Plattenmarkt vertreten. »Stilistisch läßt sich die Filmmusik nicht mehr festlegen«, so bezeichnet auch Maas den aktuellen Forschungsstand. Alles ist erlaubt. Im Trend liegt mittlerweile ebenso die digitale Filmmusiktechnik, die am Computer synthetisch produziert und minutiös an die Filmvorlage angepaßt wird. Dagegen erscheint die personell weitaus aufwendigere sinfonische Filmmusik des Spielberg-Hauskomponisten John Williams heute als Luxus.25

25 Maas 1994, S. 28–29.
Doch auch hier zeigen sich in den letzten Jahren erste Renaissancebewegungen, das sinfonische Orchester findet wieder verstärkt Eingang in die Filmmusik. Unter den jüngeren Komponisten zählen heute besonders James Horner (Titanic, Cocoon), Danny Elfman (Batman), Michael Kamen (Robin Hood) und Cliff Eidelman (Christopher Columbus) zu den Vertretern des symphonischen Stils.26
26 Heinle 1995, S. 65.
Der Pluralismus wird wohl auch in Zukunft weiter fortgeführt werden. Die Verschmelzung der Medienmärkte und die internationale Mehrfachauswertung (Filme im Kino, als Kauf- oder Leihvideo, im Fernsehen) tragen hierzu bei. Die Musik zum Film ist heute ein satter Markt, der einen guten Umsatz verspricht.


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