Rückgriff auf die Originalmehrspurbänder immer wieder verändert werden:
»[T]he recording is [. . . ] only a particular version, open to expropriation, remix,
resequencing, and recontextualization« (Lysloff 1997, 211). Von der Möglichkeit zur
nachträglichen Veränderung wurde schon von Beginn an Gebrauch gemacht, anfangs
vorzugsweise beim Wechsel von einem Tonträgerformat in ein anderes. Lindemann
(1998) führt zahlreiche Beispiele an, bei denen bei der Neuabmischung von Mono
zu Stereo, von der LP- zur Singleversion oder von der Schallplatte zur CD
Veränderungen auch an der musikalischen Substanz vorgenommen wurden:
Instrumental- oder Gesangsspuren wurden durch alternative, teilweise auch
neu aufgenommene Takes ersetzt. Effekte wurden hinzugefügt. Die Spieldauer
mancher Stücke wurde gekürzt, mitunter auch die Abspielgeschwindigkeit (!)
verändert.
Zu einer eigenständigen künstlerischen Vorgehensweise entwickelte sich die
Nachbearbeitung bestehender Aufnahmen mit der Einführung der Maxi-Single Mitte der
1970er Jahre. Mit ungefähr zehn Minuten bot das Format mehr als die doppelte Spielzeit
der bisherigen Singles – bei gleichzeitig größerer Klangfülle und einer höheren
dynamischen Bandbreite. Auf Maxi-Singles erschienen Remixes aktueller Hits, bei denen
Teile der Originaleinspielung mit weiterem Material kombiniert und zu alternativen
Versionen, meist zu auf Tanzbarkeit hin ausgelegten Extended Dance Mixes, abgemischt
wurden. Wie auch das Dubbing jamaikanischer Reggae-Musiker kann das Fertigen
dieser Maxi-Abmischungen als Wurzel späterer Remix-Praktiken in Techno
und Rap angesehen werden (vgl. Rose 1994; Chanan 1995, 146ff; Pfleiderer
2001).
Neugewichtung von Kompetenzen und Fertigkeiten
Einhergehend mit der Nutzung der diversen Aufnahme-, Schneide- und Abmischtechniken
verliert die Kunstfertigkeit im Instrumentenspiel ihren Stellenwert als primärer Faktor
für die Qualität einer Aufnahme. Gleichzeitig steigt die Erfordernis von Kenntnissen im
Umgang mit dem Studioequipment und von Fähigkeiten im Arrangement und der
Bearbeitung des aufgenommenen Materials.
Anders als zu Zeiten der Aufnahme auf nur einmalig beschreibbaren Azetatmatrizen,
als »die Studioproduktion auch für ausgebildete Berufsmusiker zu einer ernsten Prüfung
ihrer Leistungsfähigkeit« gehörte (Wicke 2001, 33), ist die Aufzeichnung auf Magnetband
vergleichsweise entspannt. Zwar besteht weiterhin die Erwartung an die Musiker, eine
gute Leistung zu bieten. Diese muss aber nicht immer schon beim ersten Take erfolgen.
Misslungene Aufnahmen können neu angesetzt oder nachträglich korrigiert werden –
oftmals auch verbunden mit dem Einsatz von »Klebstoff und Schere [. . . als] wichtigen
Hilfsmitteln der Musikproduktion« (ebd.). Die Separierung einzelner Stimmen auf dem
Mehrspurband und die Overdubbingtechnik vereinfachen die Fehlerbehebung noch
weiter gehend. Was einst nur durch ausgeprägtes Können möglich war und einer
entsprechenden Vorbereitung bedurfte, ist nun durch geduldiges, step by step erfolgendes
Aufnehmen und durch spätere Retusche-Arbeiten zu erreichen (vgl. Lindemann 1998,
91).
In dem Ausmaß, in dem einerseits die Aufnahme ihre Funktion als Abbild einer realen
Darbietung verliert und zum Studiokonstrukt wird, andererseits ihr Sound – eben
nicht nur begriffen als Klangfarbe – zum ausschlaggebenden Parameter für den
Erfolg einer Aufnahme generiert, wird die Bedeutung der Beherrschung
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