- 20 -Menzel, Karl H.: PC-Musiker 
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Rückgriff auf die Originalmehrspurbänder immer wieder verändert werden: »[T]he recording is [. . . ] only a particular version, open to expropriation, remix, resequencing, and recontextualization« (Lysloff 1997, 211). Von der Möglichkeit zur nachträglichen Veränderung wurde schon von Beginn an Gebrauch gemacht, anfangs vorzugsweise beim Wechsel von einem Tonträgerformat in ein anderes. Lindemann (1998) führt zahlreiche Beispiele an, bei denen bei der Neuabmischung von Mono zu Stereo, von der LP- zur Singleversion oder von der Schallplatte zur CD Veränderungen auch an der musikalischen Substanz vorgenommen wurden: Instrumental- oder Gesangsspuren wurden durch alternative, teilweise auch neu aufgenommene Takes ersetzt. Effekte wurden hinzugefügt. Die Spieldauer mancher Stücke wurde gekürzt, mitunter auch die Abspielgeschwindigkeit (!) verändert.

Zu einer eigenständigen künstlerischen Vorgehensweise entwickelte sich die Nachbearbeitung bestehender Aufnahmen mit der Einführung der Maxi-Single Mitte der 1970er Jahre. Mit ungefähr zehn Minuten bot das Format mehr als die doppelte Spielzeit der bisherigen Singles – bei gleichzeitig größerer Klangfülle und einer höheren dynamischen Bandbreite. Auf Maxi-Singles erschienen Remixes aktueller Hits, bei denen Teile der Originaleinspielung mit weiterem Material kombiniert und zu alternativen Versionen, meist zu auf Tanzbarkeit hin ausgelegten Extended Dance Mixes, abgemischt wurden. Wie auch das Dubbing jamaikanischer Reggae-Musiker kann das Fertigen dieser Maxi-Abmischungen als Wurzel späterer Remix-Praktiken in Techno und Rap angesehen werden (vgl. Rose 1994; Chanan 1995, 146ff; Pfleiderer 2001).

Neugewichtung von Kompetenzen und Fertigkeiten

Einhergehend mit der Nutzung der diversen Aufnahme-, Schneide- und Abmischtechniken verliert die Kunstfertigkeit im Instrumentenspiel ihren Stellenwert als primärer Faktor für die Qualität einer Aufnahme. Gleichzeitig steigt die Erfordernis von Kenntnissen im Umgang mit dem Studioequipment und von Fähigkeiten im Arrangement und der Bearbeitung des aufgenommenen Materials.

Anders als zu Zeiten der Aufnahme auf nur einmalig beschreibbaren Azetatmatrizen, als »die Studioproduktion auch für ausgebildete Berufsmusiker zu einer ernsten Prüfung ihrer Leistungsfähigkeit« gehörte (Wicke 2001, 33), ist die Aufzeichnung auf Magnetband vergleichsweise entspannt. Zwar besteht weiterhin die Erwartung an die Musiker, eine gute Leistung zu bieten. Diese muss aber nicht immer schon beim ersten Take erfolgen. Misslungene Aufnahmen können neu angesetzt oder nachträglich korrigiert werden – oftmals auch verbunden mit dem Einsatz von »Klebstoff und Schere [. . . als] wichtigen Hilfsmitteln der Musikproduktion« (ebd.). Die Separierung einzelner Stimmen auf dem Mehrspurband und die Overdubbingtechnik vereinfachen die Fehlerbehebung noch weiter gehend. Was einst nur durch ausgeprägtes Können möglich war und einer entsprechenden Vorbereitung bedurfte, ist nun durch geduldiges, step by step erfolgendes Aufnehmen und durch spätere Retusche-Arbeiten zu erreichen (vgl. Lindemann 1998, 91).

In dem Ausmaß, in dem einerseits die Aufnahme ihre Funktion als Abbild einer realen Darbietung verliert und zum Studiokonstrukt wird, andererseits ihr Sound – eben nicht nur begriffen als Klangfarbe – zum ausschlaggebenden Parameter für den Erfolg einer Aufnahme generiert, wird die Bedeutung der Beherrschung


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