- 206 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
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Hans-Ulrich Gallus (2001) schildert auf Gordons Theorie fußende Beispiele für die musikalische Früherziehung: über die Vorstellungsbilder vom »Turboland und Zeitlupenland« (ebd., S. 54) oder den Umgang mit einer imaginären Seifenblase, die auf vielfältige, immer behutsame Weise gehandhabt werden soll, werden differenzierte Bewegungen angeregt.

Im System von Gordon findet sich auch ein »Rhythmussolfège« (Gallus 2001, S. 54f.) in der die Halbe als ›Du‹, zwei Viertel als ›Dudei‹, vier Achtel als ›Dutadeta‹ und die synkopische Folge von Achtel, Viertel und Achtel als ›Duta ta‹ bezeichnet werden. ›Du‹ soll dabei dem Körpergefühl eines Schrittes entsprechen. Im Gegensatz zur Rhythmussprache nach Kodály benennt dieses System nicht Notenwerte mit verbindlichen Namen, sondern stellt die Akzentuierung am Anfang von Rhythmusmustern in den Vordergrund. Damit steht Gordon in der Tradition der so genannten Tonika-Do-Methode, die seit 1900 im deutschsprachigen Raum praktiziert wird. Neben der Verbindung von Tonhöhen mit Handzeichen verwendet die Methode auch Tondauersilben (vgl. Rennicke 1994). Das System dieser Silben beruht auf dem Prinzip, jede Zählzeit mit der Silbe ›ta‹ auszudrücken, die Unterteilung der Zählzeit ist als ›tate‹ durch einen Vokalwechsel markiert, die Vierteilung ist als ›tafatefe‹ durch ›f‹ als Anlaut gekennzeichnet.

Für das Musiklernen in der Grundschule sieht Gordon vor, dass dem Rhythmuslernen fünf bis zehn Minuten jeder Musikstunde gewidmet werden sollen. In dieser Zeit führen die Kinder dann körperliche Übungen aus, in denen das Augenmerk besonders darauf liegt, das Körpergewicht spürbar zu machen. Am Tisch sitzend sollen die Unterarme aufliegen und im Rhythmus der Halben gehoben werden, Fersen auf- und ab bewegt und später im Stehen von einem Bein auf das andere gependelt werden (vgl. Gallus 2001, S. 53). Während den Vorschulkindern noch Vorstellungsbilder angeboten werden, die die Fantasie beflügeln können, die dafür sorgen, dass ausgeführte Bewegungen als ›sinn-voll‹ erlebt werden, ist rhythmisches Lernen hier nun reduziert auf die Erfüllung vorgegebener, uninspirierter Bewegungsmuster. Auch wenn im vorliegenden Zusammenhang betont wurde, dass gerade stereotype Bewegungen der Extremitäten am Platz einen idealen Zugang zur Erfahrung von Rhythmus und Metrum darstellen, kommen hier Zweifel an der Sinnenhaftigkeit des beschriebenen Tuns auf. Lernen kann umso nachhaltiger stattfinden, je mehr Faszination und Anmutung das Handeln verursachen (vgl. Abschnitt 8.6.1). Fortschritte auf der kognitiven Ebene werden am intensivsten und nachhaltigsten angebahnt, wenn sie auf den Kompetenzen im Bereich von Intuition und Emotionalität aufgebaut werden (vgl. Abschnitt 8.5.1). Steffen-Wittek formuliert sehr treffend:

Bewegung – das neue Wundermittel in der (Musik-)Pädagogik? – vertieft das Musik-Erleben nur dann, wenn sie gefüllt ist vom eigenen Bewegungswillen, -antrieb und -ausdruck. Mechanisch ausgeführte Gehbewegungen, zu denen lieblos geklatscht wird, fördern die rhythmischen Kompetenzen kaum. (Steffen-Wittek 2004, S. 161).

Marion Saxer: das Fallbeispiel Robert

Marion Saxer geht in ihren Überlegungen zu rhythmischen Problemen von einem Fallbeispiel aus. Sie beschreibt Robert, einen neun Jahre alten Klavierschüler,


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