- 190 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
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gewährleisten (vgl. Abschnitt 6.1.3). Andererseits beginnt Instrumentalunterricht in der Regel im Grundschulalter, teilweise auch schon vor der Einschulung. Konzepte für eine Elementare Musikpädagogik – also einen Zugang unabhängig von einem bestimmten zu erlernenden Instrument – erfassen aber mittlerweile schon die pränatale Zeit (vgl. Seeliger 2003). Von einem anthropologisch und entwicklungspsychologisch orientierten Musikunterricht kann nun erwartet werden, dass dieser auf die Gegebenheiten seitens der Lernenden adäquat reagiert.
Das Wissen um die frühe intuitive rhythmische Kompetenz im Gegensatz zur viel später ausgereiften kognitiven Fähigkeit führt unweigerlich zu der Erkenntnis, dass die theoretisch-rechnerische Seite von Rhythmen zugunsten aktiver, instinktiver Handlungen zurückgestellt werden muss.

Die Umschreibungen ›intuitiv‹ oder ›instinktiv‹ beziehen sich dabei ausdrücklich nur auf die Seite der Lernenden. Die Lehrkräfte dagegen müssen ihr Unterrichtsangebot, ihre Lernschritte genauestens reflektieren. Erfahrungen und Erlebnisse im Umgang mit Rhythmus und Metrum müssen gut geplant und mit dem aktuellen Entwicklungsstand einer Gruppe oder einer Einzelperson abgestimmt werden.

Die Möglichkeiten, sich musikalisch-rhythmisch auszudrücken stehen zu Lebensbeginn schon bereit. Ein substanzieller Musikunterricht greift die Strukturen auf, die durch Sprach- oder Bewegungsrhythmus schon vorgegeben sind, modifiziert und differenziert diese dahingehend, dass das Empfinden für Rhythmus und Metrum verfeinert und gleichzeitig die Handlungsmöglichkeiten (im Rahmen der jeweiligen motorischen Entwicklung) gestärkt werden. Dieses Vorgehen kann weniger im reinen Reproduzieren verbindlicher Notentexte realisiert werden, sondern eher im freien Spiel:

Imitation und Improvisation sind Handlungsmodelle, die einem impliziten ›Wissen‹ um Rhythmus und Metrum (mit allen Fassetten) Rechnung tragen.

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: natürlich ist der Erwerb von Fertigkeiten im Umgang mit Noten fester und wichtiger Bestandteil von Instrumental- oder Gesangsunterricht. Wichtig ist aber, Lerninhalte und Handlungsweisen auf den jeweiligen Alters- und Entwicklungsstand der zu Unterrichtenden abzustimmen. Nicht übersehen werden darf die Tatsache, dass die Entwicklung kognitiver Fähigkeiten die intuitiven Kompetenzen nicht ablöst, sondern ergänzt. Jugendlichen oder Erwachsenen nur auf der kognitiven Ebene begegnen zu wollen, würde wertvolle Anlagen missachten.

Rhythmusverarbeitung im Spiegel unterschiedlicher kognitiver Strategien

Ein Baustein in der Feinabstimmung von Lerninhalt und methodischem Zugang ist das Wissen um figurale und formale Rhythmuswahrnehmung. Diese beiden Denkweisen hatten sich herauskristallisiert, als die schriftlichen Aufzeichnungen ausgewertet wurden, mit denen Kinder versucht hatten Rhythmen zu notieren (vgl. Abschnitt 6.3.1).

Die so genannte figurale Wahrnehmung fokussiert die Erscheinungsweise von Rhythmen hinsichtlich ihrer Kontur, ihres äußeren, sozusagen an der Oberfläche


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