Spielen. Viele Menschen kennen Goethe und das Neue Testament, ohne weder Deutsch noch Griechisch zu sprechen. Viele Leute, die niemals einen Malerpinsel in den Fingern hatten, setzen sich in kritischer Weise mit der Sixtinischen Madonna auseinander. Musik kann ohne Unterricht in der Kunst der Wiedergabe systematisch, interessant, gründlich und nützlich gelehrt werden, und diese Lehre sollte als Grundlage jedem Instrumental-/Vokalvortrag vorausgehen und ihn begleiten." – Hanchett.

Ich habe diesen Verfasser etwas länger zitiert, weil ich den Eindruck habe, daß es eine ausgezeichnete Darstellung der Schwächen unserer Musikerziehung ist. Ich bin auch sicher, daß Lehrer, die unter vielen "fortgeschrittenen" Schülern gelitten haben, - die Beethoven-Sonaten spielen und trotzdem einfache Noten nicht vernünftig vom Blatt singen, keinen kurzen musikalischen Satz aufschreiben oder den Unterschied im Aufbau einer Sonate und eines Nocturnos nicht erklären können,- zustimmen werden, daß dieses Urteil nicht zu streng ist. Ein weiterer Punkt, auf den ich hier verweisen muß, ist, daß ein solch befriedigendes Verstehen und Wissen von Musik keiner besonderen Begabung auf Seiten des Schülers bedarf. Auf Seiten des Lehrers ist gesunder Menschenverstand und eine ausgebildete Lehrfähigkeit erforderlich. Dieses - und ein gesundes System aufbauenden musikalischen Klassenunterrichts - vorausgesetzt, können in einer guten schulischen Erziehung alle Kinder mit normaler allgemeiner Intelligenz ein sehr befriedigendes Verständnis der Kunst erreichen. Natürliche musikalische Anlagen zählen natürlich bei den höheren künstlerischen Qualitäten von Darstellung und Komposition; aber die Elemente eines verständnisvollen Musiklesens und -schreibens und des Sprechens über Musik (oder Spielens) stehen allen offen. Die Entschuldigung mit "unmusikalischen Schülern " sollte in den Elementarstufen der Erziehung nicht mehr